Neue Spannungen

Weißrussland boykottiert EU-Ostgipfel

Ausland
30.09.2011 10:32
Beim EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft ist es am Freitag zu einem Eklat gekommen: Der Vertreter Weißrusslands sagte kurzfristig seine Teilnahme an dem Treffen in Polens Hauptstadt Warschau ab. Die EU-Länder verurteilten anschließend in einer gemeinsamen Erklärung die Verletzung von Menschenrechten in der ehemaligen Sowjetrepublik. Damit gerät der mit eiserner Hand herrschende Staatschef Alexander Lukaschenko (Bild) immer mehr unter Druck.

Obwohl es zu den Gründungsmitgliedern der Initiative gehört, verweigerte Weißrussland seine Teilnahme am EU-Ostgipfel. Zunächst verzichtete Minsk darauf, den eingeladenen Außenminister Sergej Martynow zu entsenden. Danach sagte Lukaschenko auch noch die angebotene Teilnahme des weißrussischen Botschafters in Warschau ab. Als Grund gab Minsk eine "beispiellose Diskriminierung" der weißrussischen Delegation an, die sich schon in der Nicht-Einladung von Lukaschenko gezeigt habe. Gegen den Machthaber besteht derzeit ein EU-Einreiseverbot wegen der Niederschlagung der Proteste nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2010.

Polnische Kommentatoren wiederum sehen den Grund für die Absage Weißrusslands vor allem darin, dass Polen als Gastgeber des Gipfels am Donnerstag ein Treffen zwischen dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy und weißrussischen Oppositionellen in Warschau organisiert hatte. In der EU-Erklärung von Freitag hieß es nun, die Mitgliedsländer der Union "fordern die sofortige Freilassung und Rehabilitierung aller politischer Gefangener". Die anderen fünf Nachbarn der EU, die Ukraine, die Republik Moldau, Armenien, Georgien und Aserbaidschan, schlossen sich der von den EU-Ländern formulierten Verurteilung Weißrusslands nicht an.

Der polnische Premier Donald Tusk brachte als Repräsentant der amtierenden polnischen EU-Präsidentschaft einen "Pakt für Modernisierung" mit Weißrussland ins Spiel, an den jedoch klare Bedingungen geknüpft werden sollten. Dazu gehöre auch der Beginn eines Dialogs mit der weißrussischen Opposition und freie, demokratische Parlamentswahlen in dem EU-Nachbarland. Im Gegenzug solle Weißrussland "mehrere Milliarden Euro" Unterstützung bekommen.

Kritik auch an der Rechtsstaatlichkeit der Ukraine
Auch gegenüber der Ukraine gab es Kritik an der Rechtsstaatlichkeit. Die EU fordert von Kiew die sofortige Freilassung der ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko, gegen die derzeit ein - laut einhelliger Meinung von westlichen Beobachtern politisch motivierter - Prozess wegen angeblichen Amtsmissbrauchs läuft. Die Abschlusserklärung des Gipfels enthält daher auch kein geplantes Datum für die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit dem Land. Tusk, Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonten, dieses würde die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in der Ukraine voraussetzen. Tusk und Van Rompuy erklärten jedoch auch, am Ziel eines Abkommens noch in diesem Jahr festhalten zu wollen.

Barroso erklärte, dass der umstrittene Strafprozess gegen Timoschenko gegenüber Präsident Viktor Janukowitsch mehrfach zur Sprache gebracht worden sei. "Wir haben unsere Ablehnung einer selektiven Anwendung des Strafrechts gegen Oppositionspolitiker ausgedrückt", so Barroso. "Dies ist eine ernste Angelegenheit", fügte der Kommissionspräsident hinzu. "Wir haben Signale des guten Willens vonseiten der ukrainischen Führung", ergänzte Tusk, der sich am Donnerstag mit Janukowitsch getroffen hatte. Das Urteil im Prozess gegen Timoschenko, der für die Ukraine angeblich ungünstige Gasverträge mit Russland vorgeworfen werden, soll am 11. Oktober fallen. Die angeklagte Politikerin wirft Janukowitsch vor, sie in Wahrheit als politische Rivalin ausschalten zu wollen.

Die österreichische Bundesregierung geht ebenfalls trotz der Kritik an Gerichtsverfahren gegen Oppositionelle in der Ukraine noch heuer von einem Assoziierungsabkommen des Landes mit der EU aus. "Allgemein wird erwartet, dass das noch heuer abgeschlossen wird", sagte der Staatssekretär im Außenministerium, Wolfgang Waldner, am Rande des Gipfels. Dies werde "aber nicht um den Preis der Werte der Europäischen Union wie zum Beispiel Rechtsstaatlichkeit" geschehen, so Waldner, der Österreich an diesem zweiten Tag des Gipfels vertrat. Beim Auftakt am ersten Tag war Bundeskanzler Werner Faymann dabei gewesen.

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