Das Wiener Akademietheater dramatisiert Yasmina Rezas Roman „Serge“, in dem die französische Schriftstellerin mit viel Humor das Schicksal ihrer jüdischen Familie umkreist: Sehr ansehbar!
Der erfolgreichen Französin Yasmina Reza folgt seit Jahrzehnten die üble Nachrede, bloß Nobelboulevard zu verfassen. Als wäre es eine Schande, das Kunsthandwerk der Konversation auf Oscar-Wilde-Höhe zu beherrschen. Der Roman „Serge“ (2022) ist als Versuch der Gegenwehr zu verstehen: Yasmina Reza umkreist das Schicksal ihrer jüdischen Familie. Sie bedient sich eines Verfahrens, das einst George Tabori erfunden hat: Verstörung und Groteske werden mit jüdischem Witz in Balance gehalten. Diesfalls brechen Kinder und Enkel der Opfergeneration, denen die Shoah schon fremd ist, zur bizarren Bildungsreise nach Auschwitz auf. Das gelingt gut, ebenso die Dramatisierung, wiewohl der Faden nicht immer leicht zu verfolgen ist.
Die englische Regisseurin Lily Sykes tut, was sich außerhalb ihres Sprachraums niemand mehr getraut: Sie verzichtet auf Gesichtsmikrofone, Videomüll und Wikipedia und führt ihr Ensemble auf abgeräumter Bühne gekonnt den Text entlang. Unverkennbar hat die betagte Burg-Debütantin Inge Maux das jiddische Idiom noch in der DNA. Auch Martin Schwab grüßt wie aus anderer Zeit, Michael Maertens’ Musikalität kennt keine Grenzen. Auch den anderen ist Gutes nachzusagen.
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