Pommers Feierabend

Der Mann, dem die Endoskop-Patienten vertrauen

Pommer am Abend
27.09.2022 15:14

Einen schönen Dienstagabend.

Dass Alexander Van der Bellen den Wahlkampf bis zu seinem Einzug in die Hofburg, dem nie ein Auszug vorangegangen ist, auf der sprichwörtlichen linken Backe absitzen wird, war nie so klar wie in jenem Moment, als der Bundespräsident jüngst einen Unterstützer aus dem Hut zauberte, der es schon von Berufswegen gewohnt ist, den Österreichern Feuer unter dem Hintern zu machen. Gestern Abend ging auf Van der Bellens Wahl-Twitterkonto ein Bekennervideo online, in dem Dr. Siegfried Meryn ganz offen für Van der Bellen wirbt. Dr. Meryn scheint vor und hinter der Kamera ein Experte zu sein, denn er diskutiert in einer Art ORF-Sprechstunde mit Fachleuten aus der Medizin und ist zugleich ein Meister der Endoskopie. Ein Mann für Hirn und Bauchhirn also, der trotz allem nicht der ideale Wahlhelfer ist, denn wenn jemand aus geschäftlichen Gründen den Tunnelblick perfektioniert hat, dann wohl er.

Dr. Meryn steht mit blütenweißem Arztkittel, aber ohne Stethoskop, vor einer der Kameras, die in seiner Ordination ja zuhauf herumliegen, und erinnert mich frappant an den Fernseharzt der Dr.-Best-Werbung aus dem Jahr 1989. Die klügere Zahnbürste gibt nach, Sie haben es vielleicht noch vor Ihrem geistigen Auge, Prof. Best ist der Paradeiser-Sadist aus dem Fernsehen, der Fruchtgemüse vor laufender Kamera mit seinen Bürsten traktiert. Die alten reißen Wunden in das Fruchtfleisch, die Paradeiser platzen auf, bluten, die mit der flexiblen Federung sind zärtlich, schonend, zumindest zur Pflanzenart aus der Familie der Nachtschattengewächse. Ich war ein Kind, und die Werbung machte mir Angst. Ein falscher Druck mit der Zahnbürste, und ich würde im Badezimmer verbluten, Paradeiser auf dem Speiseteller sahen plötzlich aus wie extrahiertes Zahnfleisch, Ketchup wie eine schlimme Entzündung des Halteapparates. Widerlich. Das Trauma habe ich mittlerweile überwunden, dennoch bleibt bei Dr. Meryn die Assoziation mit einem älteren Mann, der im Fernsehen fürs Verbiegen wirbt. Auch nicht ideal für den Bundespräsidenten.

„Warum ich Van der Bellen wähle?“, fragt sich Dr. Siegfried Meryn selbst eine Frage, die niemand gestellt hat. „Weil ich der Überzeugung bin, dass es keinen besseren Kandidaten für dieses Land gibt.“ Nun, das ist angesichts der aktuellen Anwärterlage kein wohldurchdachtes Argument. Wir haben den „Zipfl eini, Zipfl aussi“-Grosz, den Schuh-Staudinger, der Leuten gerne auf den Senkel geht, oder den MFG-Brunner, der die Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine leiten will. Die ersten Reibereien zwischen dem Bundespräsidenten und seinem Unterstützer gibt es übrigens auch schon. „Zähne zusammenbeißen“, empfiehlt Van der Bellen bekanntlich gegen die Teuerungen. Dr. Meryn rät davon ab, der sogenannte Bruxismus, also das Kieferpressen, führe „zu einer massiven Schädigung der Zähne, zu Verspannungen im Kopf-Hals-Bereich sowie Gesichts- und Kopfschmerzen“. Ich habe den Verdacht, dass Dr. Siegfried Meryn in sechs Jahren selbst als Bundespräsident kandidieren will. Er ist zumindest keiner, der einem am Allerwertesten vorbeigeht.

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.

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