Krise spitzt sich zu

Irak: Mehrere Tote bei Sturm auf Regierungspalast

Ausland
29.08.2022 20:59

Bei Protesten wütender Anhänger des einflussreichen Schiitenführers Moqtada al-Sadr im Irak sind mindestens zwölf Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden. Aufgebrachte Sadr-Anhänger stürmten am Montag ein Regierungsgebäude, nachdem der Geistliche überraschend seinen „endgültigen“ Rückzug aus der Politik verkündet hatte. Im stark gesicherten Regierungs- und Botschaftsviertel fielen Schüsse. Die Armee verhängte eine landesweite Ausgangssperre.

Nach Angaben von Ärzten wurden bei Zusammenstößen im Regierungsviertel mindestens zwölf Sadr-Anhänger getötet und 270 weitere verletzt. Augenzeugen zufolge lieferten sich Sadr-Unterstützer und Anhänger einer rivalisierenden schiitischen Gruppe Feuergefechte. Die Armee setzte Tränengas ein.

Die UN-Mission im Irak (UNAMI) sprach von einer „extrem gefährlichen Eskalation“ und forderte die Demonstranten auf, das Regierungsviertel sofort zu verlassen. „Das Überleben des Staates steht auf dem Spiel“, erklärte die UN-Mission. Die US-Regierung sprach von „beunruhigenden“ Berichten aus Bagdad und mahnte alle Seiten zur Ruhe und zum Dialog.

Proteste in mehreren Teilen des Landes
Die Proteste weiteten sich am Abend auf weitere Landesteile aus. Laut Berichten von AFP-Reportern und Augenzeugen stürmten Sadr-Anhänger Regierungsgebäude in den südlichen Städten Nassiriya und Hilla, in Hilla gab es Straßenblockaden.

Der Irak steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Seit der Parlamentswahl im Oktober konnte noch keine neue Regierung gebildet werden - unter anderem, weil sich Sadrs Block mit der rivalisierenden Schiiten-Gruppe darüber streitet, wer den nächsten Ministerpräsidenten stellt.

Regierungsgebäude gestürmt
Die wütenden Sadr-Sympathisanten hatten das Regierungsgebäude in der Grünen Zone gestürmt, nachdem der Prediger und einstige Milizenführer seinen Abschied von der Politik verkündet hatte. „Ich hatte beschlossen, mich nicht in politische Angelegenheiten einzumischen, aber jetzt kündige ich meinen endgültigen Ruhestand und die Schließung aller Einrichtungen an“, twitterte al-Sadr am Montag. Ausgenommen seien mit ihm direkt verbundene religiöse Einrichtungen. „Wenn ich sterbe oder getötet werde, bitte ich um eure Gebete.“

Keine zwei Stunden nach der Ankündigung strömten Demonstranten in die Grüne Zone. Einige trugen Fotos al-Sadrs. „Dies ist eine Revolution des Volks, keine Sadristen-Bewegung“, riefen einige. Andere forderten den „Sturz des Regimes“. Die Protestler beseitigten Barrieren, während Sicherheitskräfte versuchten, die Menge mit Wasserwerfern auseinanderzutreiben. Videos zeigten bald darauf eine jubelnde Menge in den Räumen des Regierungspalasts.

Ausgangssperre verhängt
Nach der Erstürmung des Regierungsgebäudes setzte Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi alle Kabinettssitzungen aus, meldete die staatliche Nachrichtenagentur INA. Ab 15.30 Uhr Ortszeit (18.30 Uhr MESZ) gelte in der Hauptstadt eine absolute Ausgangssperre. Die Armee kündigte später eine landesweite Sperre ab 19.00 Uhr an. Al-Sadr hatte auf Twitter angekündigt, seine politischen Büros zu schließen. Einige seiner religiösen und kulturellen Einrichtungen würden jedoch geöffnet bleiben. Den mit ihm rivalisierenden, führenden schiitischen Politikern warf er vor, seine Aufrufe zu Reformen ignoriert zu haben.

Damit spitzt sich die politische Krise im Irak weiter zu, nachdem Demonstranten vor einem Monat bereits in das Parlamentsgebäude eingedrungen waren. Auch rund zehn Monate nach der Parlamentswahl können sich die Parteien weder auf einen Präsidenten noch einen Regierungschef einigen, während das Land unter einer Wirtschaftskrise, Inflation und Korruption ächzt.

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