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Kickl ohne Kreide | Lasst sie tanzen

Kickl ohne Kreide. Der blaue Parteichef im ORF-Sommergespräch plötzlich kaum angriffig, sondern verbindlich, freundlich statt aggressiv - nein, es dreht sich nicht um Herbert Kickl gestern Abend, es ist die Erinnerung an einen überraschenden Auftritt von Heinz Christian Strache vor einigen Jahren. Der damalige FPÖ-Obmann schaffte es nicht nur im Sommergespräch, phasenweise neben dem Verbalrabauken auch den freundlichen, mitunter charmanten Staatspolitiker zu geben. Das gelang ihm zwar nicht ganz so gut wie seinem Vorgänger Jörg Haider, weil ihm schlicht dessen Intellektualität fehlte, aber er machte doch manchmal recht passable Figur. Maßgeblicher Mann im Schatten war sowohl bei Haider wie bei Strache Herbert Kickl. Nun trat Kickl bereits zum zweiten Mal selbst als Parteichef beim ORF-Sommergespräch auf. Dem es in den vergangenen Monaten zwar mit seiner Radikalrhetorik gelang, die Freiheitlichen bei Umfragen wieder nach oben zu führen. Gleichzeitig aber stehen die Blauen im Out - mit dem in der Politlandschaft isolierten Parteichef ist für alle anderen Parteien im wahrsten Sinne des Wortes „kein Staat zu machen“. Die Kickl-FPÖ - in einer Regierung derzeit unvorstellbar. Würden wir nun nach all den auch innerparteilichen Querelen der letzten Wochen ein neues Gesicht des aktuellen FPÖ-Chefs kennenlernen? Naja, anfangs schien Kickl tatsächlich ein Stückchen der sprichwörtliche Kreide gefressen zu haben. Doch bald spuckte er wie gewohnt Gift und Galle. Attackierte die Interviewer genauso wie die gesamte politische Konkurrenz. Gab sich als Klimawandelleugner, Coronaleugner und Putin-Versteher („Putin hat ja nur gemacht, was die Amerikaner seit 100 Jahren tagtäglich machen“). Sein Klientel erreichte Herbert Kickl gestern neuerlich. Doch dieses Klientel dürfte bei 20 Prozent gedeckelt sein. Eventuelle Sympathisanten angesprochen? Das hat er kaum. Kreide fressen - das schmeckt Herbert Kickl so gar nicht. Man könnte sagen: authentisch ist er und bleibt er.

Lasst sie tanzen! Die tanzende finnische Regierungschefin Sanna Marin - sie beschäftigt die Menschheit seit Tagen. Zwar meint „Krone“-Leserbriefschreiber Ingo Fischer aus Lavamünd heute: „Die Debatte, ob eine junge Regierungschefin eine Party feiern gehen darf oder nicht, ausgelöst durch ein privates Tanzvideo, auf dem die finnische Premierministerin Sanna Marin zu sehen ist, halte ich für absolut entbehrlich. Wie engstirnig kann man nur sein, um an Frau Marins Verhalten nur ansatzweise etwas Verwerfliches zu finden?“ Eine Einschätzung, die sicher viele teilen. Briefschreiber Fischer ergänzt: „Die Bilder vermitteln vielmehr eine junge Frau, die Spaß, gute Laune und Freude am Leben hat. Ich wüsste nicht, was falsch daran sein sollte, wenn Politiker/innen (ich gendere bewusst!) unter Leute gehen und genauso feiern wie andere. Frau Marin ist für mich eine authentische und glaubwürdige Politikerin. Finnland kann sich glücklich schätzen.“ Dennoch erregen die Videos der feiernden Politikern weiter international. Da trifft der freche „Herr Nimmerwurscht“ heute in der „Krone“ einmal mehr den Nagel auf den Kopf, wenn er meint: „Wir haben die größte Trockenheit seit Jahrzehnten, eine Pandemie, enorme Teuerungen und einen Krieg in Europa. Aber wir diskutieren darüber, ob die finnische Regierungschefin tanzen darf.“ Ja, lasst sie tanzen!

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