„Krone“-Kolumne

Tribunal Cyberpornografie

Kolumnen
21.05.2022 09:30

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller über neue Betrugsformen im Internet.

Vor einigen Tagen erreichte mich eine Vorladung via E-Mail. Sie kam von Innenministerium, EUROPOL und Bundeskriminalamt. Gegen mich sei ein Verfahren wegen Cyberpornografie und Exhibitionismus eingeleitet worden. - Was? Hatte ich die Vorhänge nicht geschlossen oder mich öffentlich entblößt? Ich war mir keiner Schuld bewusst.

Die polizeiliche Vorladung half meiner Erinnerung auf die Sprünge, dass „erotische Nachrichten und Szenen der Zurschaustellung und Masturbation über Webcam und Instant-Chat-Sitzungen praktiziert wurden“. Außerdem sei Kinderpornographie Minderjährigen unter 16 Jahren zugänglich gemacht worden. Die exhibitionistischen Bilder und Videos seien ausreichend, um mich zu verhaften und in das nationale Register für Sexualstraftäter einzutragen. So weit, so schlimm.

Netterweise bot mir die Polizei eine Lösung an: Ich sollte innerhalb von 48 Stunden eine Begründung für meine Straftat an die Direktion des Bundeskriminalamtes unter „tribunal.minister3“ senden. Was sollte man da schon schreiben? - „Sehr geehrte Direktion des Bundeskriminalamtes. Ich gestehe: Ich habe Cyberpornografie geschaut. Aber es ist nicht so, wie Sie denken! Ich habe das nur getan, weil ...“ Die Begründungen würde ich gerne lesen. Spätestens bei diesem „Angebot“ war jedoch klar, dass sich hier jemand einen betrügerischen Scherz erlaubt hatte.

Sexting ist so weit verbreitet wie die Angst davor, dass Sexbilder in die falschen Hände geraten. Immer wieder sind solche Betrugsversuche deshalb erfolgreich. Aufgrund ihrer Angst vor öffentlicher Beschämung lassen sich Betroffene zu Geständnissen verleiten und zahlen Betrügern größere Summen, damit nicht bekannt wird, dass sie Pornos geschaut oder sexuelles Bildmaterial aufgenommen haben. Von solchen unglaubwürdigen Spam-E-Mails sollte man sich nicht einschüchtern lassen.

Nicht jedem ist klar, dass die vermeintliche „Vorladung“ nicht nur gefälschte Absender und Vorwürfe, sondern auch falsche Inhalte enthält. Korrekt ist: Pornografie darf Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht werden. Kinderpornografie ist grundsätzlich verboten. Stößt man auf sexuelle Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger im Internet, kann (und sollte) man diese anonym zum Beispiel bei der Meldestelle „Stopline“ melden. Die echte Polizei, soviel kann ich verraten, kommt dann allerdings ohne Ankündigung.

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