Feuer am Dach

Spar-Krisentreffen gescheitert: Athen steuert auf Pleite zu

Ausland
27.05.2011 20:57
Die griechische Regierung und die Opposition haben sich bei einem Krisentreffen am Freitag nicht auf einen gemeinsamen Sparkurs einigen können, der Voraussetzung für das milliardenschwere Rettungspaket von EU und IWF ist. Die Union will nur bei einem überparteilichen Konsens zusätzliche Hilfszusagen für kommendes Jahr geben. Blieben diese aus, würde der IWF sogar seine für Juni geplante Kredittranche zurückhalten. Ohne frisches Geld ist Griechenland bereits Mitte Juli zahlungsunfähig.

Griechenland war 2010 mit einem Hilfspaket im Umfang von 110 Milliarden Euro vor dem Abgrund gerettet worden. Mittlerweile wird immer klarer, dass dies nicht reichen wird. Im Gespräch sind weitere 30 bis 60 Milliarden Euro, die zusätzlich benötigt werden. Athen muss in den kommenden vier Jahren 78 Milliarden Euro sparen - einen Teil will die Regierung mit dem Verkauf von Staatsbesitz einnehmen.

Das nunmehrige Krisentreffen war von Staatspräsident Karolos Papoulias angesetzt worden, der ausloten wollte, ob doch noch Einigkeit beim neuen harten Sparpaket hergestellt werden kann. Neben Ministerpräsident Giorgos Papandreou (Bild li.), Finanzminister George Papaconstantinou (Bild re.) und Außenminister Dimitris Droutsas waren alle Parteivorsitzenden an den mehrstündigen Gesprächen beteiligt.

"Ein Konsens wurde blockiert"
Doch den Spitzenpolitikern gelang es nicht, eine Verständigung zu erreichen. Der Chef der größten Oppositionspartei, der konservativen Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, erklärte: "Ich unterstütze nicht eine Politik, die die griechische Wirtschaft abwürgt und zerstört." Der Vorsitzende der kleinen Rechtspartei Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS), Giorgos Karatzaferis, sagte: "Ein Konsens wurde blockiert. Einigen sind wohl ihre Stühle wichtiger als das Land." Papandreou erklärte daraufhin: "Wir werden alle nötigen Entscheidungen treffen, koste es was es wolle - mit oder ohne die Opposition."

Die Regierung, die sich mit einer baldigen Finanzierungslücke von 13,4 Milliarden Euro konfrontiert sieht, hatte bereits vor den Gesprächen vor einem Scheitern der Gespräche gewarnt: Ohne neue Hilfen könne sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, könne Löhne und Pensionen nicht zahlen und wäre pleite. Auch die griechische EU-Kommissarin Maria Damanaki warnte ihre Landsleute davor, dass das Land ohne eine Umsetzung des harten Sparprogramms Bankrott gehen werde - dann müsse die alte Währung Drachme wieder einführen werden.

EU-Kommission: "Die Zeit läuft aus"
EU-Währungskommissar Olli Rehn hat das Scheitern der Gespräche in Athen bedauert. "Wir erwarten, dass die Bemühungen um eine parteiübergreifende Einigung zur Unterstützung des Hilfsprogramms von EU und IWF fortgesetzt werden", hieß es in einer Erklärung Rehns vom Freitag in Brüssel. "Eine Einigung muss rasch gefunden werden. Die Zeit läuft aus. Die Größe dieser Herausforderung ist ein Test für die griechische Gesellschaft insgesamt und erfordert deswegen einen Beitrag aller Parteien und aller Bürger."

Union müsste für IWF einspringen
Sollte der IWF mit seinen 3,3 Milliarden Euro für Juni ausfallen, müssten die Europäer diesen Ausfall "auf ihre Kappe nehmen", hatte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker gewarnt. Dies sei aber wohl wegen fehlender Bereitschaft der Parlamente in Deutschland, den Niederlanden und Finnland nicht möglich. Den Vorstoß Junckers werteten Experten als gewagtes Manöver, um die von der EU verlangte parteiübergreifende Verständigung in Griechenland zu erzwingen.

Zwar stützen sich Papandreous Sozialisten auf eine komfortable Mehrheit im Parlament. Doch vor allem Oppositionsführer Samaras lehnt das Vorgehen von IWF und EU grundsätzlich ab und stellt sich auch gegen die griechische Regierung. Ihm zufolge versuche diese nicht nur die Wirtschaft zu ruinieren, sondern auch einen Teil der Regierungsverantwortung abzuwälzen. Außerdem sorgen die Pläne für einen forcierten Sparkurs und den Verkauf milliardenschwerer Staatsbeteiligungen im Land für wütende Proteste. Die Euro-Staaten wollen verhindern, dass sie im Falle eines Regierungswechsels die im Gegenzug für neue Hilfskredite vereinbarten Zusagen neu verhandeln müssen.

Die EU-Kommission wollte am späten Freitagabend die mögliche Verweigerung der IWF-Finanzhilfen für Griechenland nicht kommentieren. "Die Troika ist in Griechenland und wir sollten abwarten, was sie ihren jeweiligen Zentralen mitzuteilen hat", sagte eine Sprecherin. Sie bezog sich auf eine Dreier-Mission des IWF, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese prüft derzeit, ob die Voraussetzungen für die Auszahlung der zwölf Milliarden Euro schweren nächsten Tranche von Finanzhilfen der EU und des IWF gegeben sind.

Simmen für und gegen Umschuldung
Viele Volkswirte vertreten die Auffassung, dass bei einem Schuldenberg von etwa 330 Milliarden Euro - das entspricht 150 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung - eine Umschuldung irgendwann unvermeidlich sein wird. Doch IWF-Interimschef John Lipsky und etwa Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy machten deutlich, dass eine Umschuldung nicht infrage komme. Vor allem aber die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich vehement auch gegen eine sanfte Umstrukturierung der griechischen Verbindlichkeiten, da deren Folgen unabsehbar seien.

Es gebe ein Anpassungs- und Reformprogramm, das die EU und der IWF mit der Athener Regierung ausgehandelt hätten, sagte EZB-Chef Jean-Claude Trichet am Freitag. "Griechenland muss dieses Programm vollständig und rigoros umsetzen. Es ist sehr wichtig, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und damit den Weg für eine nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen zu ebnen." Es sei zudem von größtem Interesse, "dass Griechenland sich einer wirtschaftlichen Anpassung unterzieht und ein stabiler Partner in Europa und im Euroraum ist", erklärte Trichet.

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