Gesetze nach Koran

Ägypter wollen Demokratie mit religiösen Werten

Ausland
27.04.2011 09:39
Nach den Jahren der Unterdrückung durch eine korrupte Macht-Elite wächst in Ägypten nicht nur der Wunsch nach echter Demokratie, sondern auch nach einer, die auf religiösen Werten basiert. Laut einer Umfrage-Studie des renommierten Pew Research Center wünschen sich 62 Prozent der Ägypter, dass Gesetze am Koran orientiert sein bzw. bleiben sollen. Statt zu einem "Gottesstaat", wie ihn das Militär als Bedrohung ausmacht, sehen sich viele offenbar zu einer Art "Koran-Demokratie" hingezogen.

Der Wandel zur Demokratie ist laut der Studie mit 1.000 zwischen Ende März und Anfang April befragten Ägyptern unbestritten. 77 Prozent stimmen zu, dass der Abtritt des ehemaligen Machthabers Hosni Mubarak gut war, 13 halten dagegen, 10 Prozent zeigen sich unentschlossen. Im Jahr 2007 waren 60 Prozent der Meinung, dass eine Demokratie jeder anderen Regierungsform vorzuziehen sei, heute sind es 71 Prozent.

Mehr als die Hälfte wünscht sich eine demokratisch gewählte Führung, die auch um jeden Preis nach diesem Prinzip regiert - selbst wenn dies politische Instabilität bedeuten könnte. Nur 32 Prozent der Befragten ist wichtig, dass die Regierung beständig hält, dafür aber womöglich autoritärer regiert. Mehr als 80 Prozent glauben, dass die nächsten Wahlen "sehr wahrscheinlich" bzw. "eher wahrscheinlich" fair und frei ablaufen werden.

Hohe Sympathiewerte für Muslimbrüder
Während das Vertrauen in die Stimmen der Revolution generell groß geblieben ist und auch das Militär in der breiten Bevölkerung weiterhin hohes Ansehen genießt, wächst auch die Zustimmung für die unter Mubarak verbotenen religiösen Gruppierungen. Bessere Sympathiewerte als die Muslimbruderschaft - sie werden nur von 20 Prozent der Ägypter abgelehnt - haben nur Militär-Chef Mohamed Tantawi (8 Prozent Ablehnung) und der ägyptische Diplomat und Generalsekretär der Arabischen Liga, Amry Moussa (11 Prozent).

Der ehemalige IAEO-Generalsekretär Mohamed ElBaradei wird von 39 Prozent strikt abgelehnt, dahinter kommen dann schon Vizepräsident Omar Suleiman (66 Prozent Ablehnung) und Mubarak (86 Prozent). Die Jugendbewegung 6. April wird übrigens von 24 Prozent abgelehnt, wobei es hier mit 7 Prozent die höchste Anzahl an Unentschlossenen gibt, die mit "Weiß nicht" geantwortet haben.

Koran soll bei Gesetzgebung berücksichtigt werden
Dass die Ägypter dem Islam eine wichtigere Rolle einräumen bzw. religiösen Führern derzeit mehr Vertrauen schenken, zeigt sich auch beim Vertrauen in die Institutionen. Gleich nach dem Militär (88 Prozent sehen einen positiven Einfluss der Armee auf die Geschehnisse im Land) kommen die religiösen Persönlichkeiten (88 Prozent), dahinter Justiz (67 Prozent) und Medien (69 Prozent). Der nach wie vor mit Mubarak-Anhängern durchsetzten Polizei schreibt eine Mehrheit von 61 Prozent keinen guten Einfluss zu.

Bei der Frage nach dem religiösen Einfluss auf die Politik sprechen sich 62 Prozent dafür aus, die Gesetze nach den moralischen Prinzipien des Korans zu gestalten. Dabei ist zu beachten: Eine moderate und auf zivilrechtliche Belange bestimmte Auslegung des islamischen Gesetzes Scharia ist seit jeher Hauptquelle für die Gesetzgebung in Ägypten. Auspeitschungen und Steinigungen werden in Ägypten nicht angewandt, es gibt aber die Todesstrafe, die letzte Hinrichtung (Tod durch den Strang) geschah 2008.

Fundamentalisten nicht im Aufschwung
Laut Pew halten sich Fundamentalisten und ihre Gegner die Waage. Laut der Umfrage sympathisieren 31 Prozent der ägyptischen Muslime mit Fundamentalisten, 30 Prozent mit jenen, die gegen religiösen Fundamentalismus auftreten. Nebeneffekt des religiösen Booms: Eine knappe Mehrheit der Ägypter wünscht sich eine Aufkündung des Friedensvertrages mit Israel, gleichzeitig hat nur ein Fünftel der Bevölkerung eine positive Meinung von den USA. Präsident Barack Obama wirft die Mehrheit vor, den Demokratiewechsel in der arabischen Welt nicht ausreichend zu unterstützen. Von der künftigen Regierung erwartet man sich ein eher distanziertes Verhältnis zu den Vereinigten Staaten.

Für Frauen- und Minderheitenrechte erkennt Pew derzeit keinen nennenswerten Aufschwung. Mit 48 Prozent spricht sich nicht einmal bei den Frauen selbst eine Mehrheit für eine Stärkung ihrer Rechte aus. Bei den Männern sind 30 Prozent für gesetzliche Gleichberechtigung. Religionsfreiheit für die koptischen Christen und andere Minderheiten in Ägypten fordern 36 Prozent.

Hartes Match Wirtschaft vs. Demokratie
Abgesehen von allen politischen und religiösen Gesichtspunkten, plagt die Ägypter die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Pew ließ die Befragten zwischen einer demokratischen Führung und einer florierenden Wirtschaft priorisieren. 47 Prozent ist die Demokratie wichtiger, 49 Prozent würden sich zuerst einen wirtschaftlichen Aufschwung wünschen.

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