Pommers Feierabend

Das ist kein Lockdown!

Pommer am Abend
25.11.2021 14:14

Einen schönen Donnerstagabend.

Können Sie sich noch an den ersten Lockdown Mitte März 2020 erinnern, als wir uns alle benommen haben, als würde sich draußen ein fleischfressendes Virus über die Luft übertragen, das uns körperlich in derselben Geschwindigkeit auflösen kann wie Wolfgang Mückstein seine Karriere? Die U-Bahnen waren menschenleer, ich ging ein paarmal durch die Innenstadt spazieren und stand alleine vor dem Stephansdom. Ich weiß nicht mehr, ob Vögel gesungen haben, in meiner apokalyptischen Vorstellung von damals tun sie es nicht, und am späten Abend kämpfte ich mich in den Schlaf, weil ich mir den Autoverkehr vor der Wohnung als beruhigendes Meeresrauschen schöngeredet hatte und der Ozean über Nacht ausgetrocknet war. Ich sah aus dem Fenster und sah Menschen, die aus Fenstern sahen.

Das war ein Lockdown. Heute sind halt die Bars und ein paar Geschäfte zu. Die erste volle U-Bahn heute Früh musste ich auslassen, die Menschen klebten schon an den Fenstern (innen natürlich). Das Blumengeschäft ums Eck verkauft Adventkränze, beim Würstelstand wird abends Bier konsumiert, auffällig viele Wirtshäuser haben plötzlich ihre Fensterscheiben mit undurchsichtigen Folien beklebt - Sie wissen schon, um die Passanten nicht mit der Renovierung zu belästigen oder so. Personen mit Badehauben und Regenjacken verstecken sich vor Impfflugzeugen in der Masse der Demonstranten, im Stadtpark sitzen Corona-Leugner um ein Lagerfeuer herum und erzählen sich Horrorgeschichten über Geimpfte („Der Immunisierte mit der Hakenhand“), die Lobau-Besetzer kuscheln sich in der Sauna zusammen. Täglich lädt irgendwer zu irgendwelchen Pressekonferenzen ein: Es gibt Brötchen, Vanillekipferln und heiße Luft, nicht einmal in allen Fällen durch FFP2 gefiltert. Schuhmacher, Energetiker, Fotostudios, Astrologen - alle haben geöffnet. Die Straßen voll, die Menschen vor den Imbissen voll, die Öffis voll, die Intensivstationen voll, bei den Bundesgärten weiß ich es nicht, da traue ich mich seit der Köstinger-Warnung nicht mehr hin. Wer Urlaub vom Lockdown braucht, setzt sich eben mit 300 Personen in ein Flugzeug.

Ich sehe mir den Lockdown an und denke: Das ist keiner. Aber der Gesundheitsminister ist begeistert, es gebe „ein kleines bisschen Hoffnung“. Er meinte vor Kurzem noch: Am 13. Dezember endet der Lockdown, der keiner ist, für Geimpfte. Ich schaue auf die Zahlen: 53 Tote mehr, 619 auf den Intensivstationen. Wenn unter Kontaktreduktion zu verstehen ist, dass Menschen wegsterben, dann ist sie tatsächlich gelungen. Früher oder später kommen wir so auf die 30 Prozent. Ansonsten kann ich die Hoffnung nicht teilen, aber ich bin auch nicht Mediziner und Gesundheitsminister. Aber irgendwie habe ich die Vermutung: Der aktuelle ist es auch nicht. 

Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.

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