Schneiders Brille

Sprechende Pralinen – jetzt wirds kompliziert…

Vorarlberg
17.10.2021 13:25

„Krone“-Autor Robert Schneider rätselt in seiner Kolumne „Schneiders Brille“ darüber, warum der der Zuckerbäcker Hubertus Neef jun. seinen Beruf an den Nagel hängte, hatte es vielleicht etwas mit sprechenden Pralinen zu tun?

Vor einem knappen Jahr hängte der Zuckerbäcker Hubertus Neef jun. von „Neef & Söhne“ Konditorenmütze samt Kochjacke an den Nagel, fuhr zum Gewerbeamt und stellte seine Firma ruhend. Von Tinnitus wurde gemunkelt und von Burnout. Die Wahrheit ist eine andere, und die kam so: Die legendäre Confiserie in Weimar existiert schon seit Generationen. Goethe soll dort für seine Naschkatzen (nicht minder an der Zahl) Körbe voller „Tête de nègre“ bestellt haben. Kandinsky schwor, sofern nicht völlig betrunken, auf „Mohr im Hemd“ mit Cognac. So steht es in der Firmenchronik zu lesen.

Gewiss hat Hubertus Neef jun. der gewachsenen Sensibilisierung die politisch unkorrekte Bezeichnung von Süßspeisen betreffend Rechnung getragen und alle inkriminierten Namen aus dem Sortiment getilgt. Eine etwas robuste Studentin der Völkerkunde hatte ihm nämlich das Leben schwer gemacht, Unterschriften gesammelt und wiederholt Eingaben bei der Antidiskriminierungsstelle getätigt.

Er war allein in der Küche, zog gerade ein Backblech mit Brandteigkrapfen aus dem Ofen, als einer der Windbeutel fürchterlich zu schimpfen begann. Eine Diffamierung und stillschweigend hingenommene Diskriminierung sei es, dass er und seinesgleichen mit Schokolade übergossen würden. Das sei rassistisch und bediene das Stereotyp des dummen, gutherzigen Schwarzen. Ein Eclair sei goldbraun, wenn es aus dem Rohr komme. Ob der Maître noch nie etwas von Blackfacing gehört habe.

Der Konditor deutete das Gehörte als Fingerzeig permanenter Überarbeitung, stellte das Blech ab, um an anderer Stelle die Pralinen aus Orangenmark mit Kuvertüre von weißer Zartbitterschokolade zu überziehen. Die Orangen begehrten auf. Orange wollten sie bleiben. Ob er noch nie etwas von Whitefacing gehört habe. Der Konditor musste sich drei Schnäpse genehmigen, um die Stimmen zu betäuben.

Aber die Stimmen schwiegen nicht, verfolgten ihn bis in die Träume hinein. Als eines Morgens zwei „People of Color“ in den Laden traten und höhnend „Mohrenköpfe“ verlangten, riss sich Hubertus Neef jun. die Konditorenmütze vom Kopf.

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