„Krone“-Kommentar

Die Landkarte

Kolumnen
08.05.2021 10:49

Das hätten sich die Väter der österreichischen Bundesverfassung, allen voran Hans Kelsen, wohl auch nicht gedacht. Dass ihre Regeln sogar einmal Richtschnur für die Zurechtweisung eines uneinsichtigen Ministers durch den Bundespräsidenten sein würden.

So geschehen diese Woche. Weil Finanzminister Gernot Blümel es nicht so wichtig fand, einem Antrag des Verfassungsgerichtshofes zu folgen und Akten für den Ibiza-Untersuchungsausschuss herauszurücken, sollte Alexander Van der Bellen den Exekutor spielen. Das sei in dieser Form noch nie da gewesen, betonte das Staatsoberhaupt, aber an die Regeln der Verfassung hätten sich alle zu halten. Das ungewöhnliche Prozedere ist festgelegt in Artikel 146 Absatz 2 des Bundesverfassungsgesetzes. Und so fing eine Handykamera den Moment ein, als 204 als „geheim“ eingestufte Ordner doch noch vom Finanzministerium ins Parlament geliefert wurden.

„Noch nie da gewesen.“ Diese drei Worte benutzte das Staatsoberhaupt zuletzt in seiner Ibiza-Rede im Mai 2019, in der Van der Bellen, ein wenig poetisch angehaucht, die Schönheit und Eleganz der Verfassung pries. Allein aufgrund des klaren Wortlautes sei sie für ihn wie eine Landkarte gewesen, die den Weg zur Lösung der Regierungskrise vorgezeichnet habe. Seit 1920 weiß die Verfassung auf alles eine Antwort.

Schon grotesk, dass es diese große Problemlöserin gebraucht hat, um ein Regierungsmitglied zur Räson zu bringen.

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