Nach Wahldebakel

Häupl bastelt an seiner “Koalition der Verlierer”

Österreich
11.10.2010 13:25
Nach dem Wahldebakel vom Sonntag ist für die Wiener SPÖ klar: Das bequeme Junggesellen-Leben ist vorbei. Stattdessen ist Partnersuche angesagt. Nach der kategorischen Absage an die vor Selbstbewusstsein strotzende FPÖ stehen mit der ÖVP und den Grünen lediglich zwei völlig zerrupfte Bräute für eine Hochzeit bereit. Den Zuschlag für die „Ehe der Verlierer“ wird wohl diejenige Partei erhalten, die für die SPÖ am billigsten zu haben ist.

Die Briefwahl-Stimmen sind zwar noch nicht ausgezählt, doch selbst in der SPÖ rechnete am Montag niemand mehr damit, dass sich die absolute Mehrheit in Wien halten lässt. Und so laufen im Rathaus bereits die ersten Koalitions-Planspiele. Trotz des Debakels ist die Ausgangslage für Michael Häupl eine vergleichsweise bequeme. Denn mit der ÖVP und den Grünen stehen ihm gleich zwei potenzielle Partner zur Verfügung - die er genüsslich gegeneinander ausspielen kann.

Vor allem die jüngeren SPÖ-Mitglieder hoffen auf ein Zusammengehen mit den Grünen, weil sie hierin die Zukunft sehen - auch in bundespolitischer Hinsicht. Natascha Strobl, Vorsitzende des Wiener Verbands Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), argumentierte, eine Zusammenarbeit mit den Grünen sei die einzige Möglichkeit, dass Wien eine soziale Stadt bleibe. Junge Rot-Grün-Anhänger innerhalb der SPÖ hatten am Montag vor dem Treffen des Landespartei-Vorstands am Rathauseingang ein Transparent mit der Aufschrift "Rot-Grün jetzt! Mit der ÖVP ist keine soziale Stadt zu machen" entrollt. Skandiert wurde außerdem: "Steht auf, wacht auf, Rot-Grün jetzt!"

Sympathien für Rot-Grün auch in den Landes-SPs
Auch in den Landes-SPs stößt eine mögliche Ehe mit den Grünen auf Sympathien. Für Vorarlbergs SPÖ-Obmann Michael Ritsch hätte so eine Koalition "einen gewissen Charme", sein Kärntner Kollege Peter Kaiser hätte in seinem eigenen Bundesland in einer ähnlichen Konstellation eine klare Präferenz für die Grünen. Beide aber versicherten, dem Wiener Bürgermeister nicht dreinreden zu wollen.

Einen "verlässlichen Partner" solle sich Häupl suchen, meint der Tiroler SP-Chef Hannes Gschwentner. Freilich habe Häupl als "alter Politfuchs" keine Empfehlungen nötig. Der künftige Partner müsse Häupls "ambitioniertes Programm" mitragen. Der oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Josef Ackerl möchte weder Ratschläge noch Empfehlungen nach Wien schicken - zumal Häupl Rot-Blau ja schon selber ausgeschlossen habe. "Michael Häupl weiß am besten, was für Wien das Beste ist", sagte Ackerl.

Experten tippen auf Rot-Schwarz
Letztendlich wird sich Häupl wohl für diejenige "Braut" entscheiden, die am billigsten zu haben ist - also ihre eigenen Ziele am weitesten zurückschraubt und sich mit der Rolle des Steigbügelhalters zufriedengibt. Aus seiner Vorliebe für Rot-Schwarz hat der Bürgermeister nie einen Hehl gemacht, sieht er hierin doch die stabilere Variante. Und auch Experten glauben eher an diese Koalition in der Bundeshauptstadt. Schließlich gebe es auch im Bund ein rot-schwarzes Bündnis, so Politologe und ORF-Analytiker Peter Filzmaier.

Auch Meinungsforscher Peter Hajek denkt, dass die erste Präferenz der SPÖ die ÖVP ist - hier gebe es nämlich die geringste Schnittmenge an Wählern. Die SPÖ fürchte, dass sie Grüne oder FPÖ in einer Regierung "salonfähig" machen könnte und dann bei der nächsten Wahl Stimmen an den Partner verliert, so Hajek. Die Roten sollten jedenfalls auch mit den Freiheitlichen Gespräche führen, denn hier habe man Gelegenheit, darzustellen, warum man nicht mit ihnen zusammenarbeiten will. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer glaubt ebenfalls an eine rot-schwarze Koalition. Das wäre natürlich auch im Sinne der Bundesregierung, so Bachmayer.

"ÖVP ist der größte Verlierer"
Die ÖVP sei fast der größere Verlierer als die SPÖ, erklärte Hajek, sie habe rund ein Drittel ihrer Wählerschaft verloren, und das von einem niedrigen Stand aus. Die Ergebnisse der Landtagswahlen im Burgenland, der Steiermark und in Wien sollten ein "Warnsignal" für die Bundespartei sein. Für Bachmayer liegen die Verluste der ÖVP an der "unklaren Zick-Zack-Linie" von Spitzenkandidatin Christine Marek, außerdem habe die Volkspartei etwa das Kernthema Wirtschaft im Wahlkampf völlig vernachlässigt.

Rechnerisch seien die ÖVP, aber auch die Grünen die Verlierer, doch die SPÖ habe den einzigen Preis verloren, der wirklich gezählt habe, meinte hingegen Filzmaier. Bachmayer vermutet, dass den Wiener Roten im Vergleich zu den letzten beiden Wahlen ein schwarz-blauer "Regierungsgegner" gefehlt hat. Der Wahlkampf der SPÖ sei ein "Alles okay"-Wahlkampf gewesen, ohne Spannung und ohne Mobilisierung. Häupls Forderung nach einer Volksbefragung über die Wehrpflicht sei offenbar als Wahlkampfmanöver enttarnt worden. Das Ergebnis sei natürlich eine Niederlage für die SPÖ, so Hajek, man müsse aber "die Kirche im Dorf lassen", denn sie werde weiterhin den Landeshauptmann stellen und den Preis bei Verhandlungen gering halten können.

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