Merkel mahnt Europa:

„Mit Hetze lässt sich Pandemie nicht bekämpfen“

Ausland
08.07.2020 20:40

Populismus, Lügen und Hass stoßen nach Ansicht von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Corona-Krise an ihre Grenzen. „Mit Lüge und Desinformation lässt sich die Pandemie nicht bekämpfen, so wenig wie mit Hass und Hetze. Dem Fakten leugnenden Populismus werden seine Grenzen aufgezeigt“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch bei einer Rede im Brüsseler EU-Parlament zum Auftakt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft (siehe Video oben). Bei den Verhandlungen um den Corona-Aufbauplan rief Merkel alle Beteiligten zur Kompromissbereitschaft und Einheit auf: „Allein kommt niemand durch diese Krise. Wir alle sind verwundbar.“

„Welche Botschaft könnte passender sein als diese, dass dieses Europa zu Großem fähig ist, wenn wir einander beistehen und zusammenhalten“, sagte Merkel in ihrer Rede. Für sie war es eine ungewöhnliche Rede, die sie vor den EU-Abgeordneten zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hielt. „Leidenschaft“, „Vision“, „Hoffnung“: Sie sprach über das inzwischen schon mehrfach präsentierte Programm für die nächsten sechs Monate - den Kampf gegen die dramatischen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, den Abschluss des Brexits, Klimaschutz, Digitalisierung. Aber eben bisweilen in ungewohnter Tonart.

Corona-Aufbauplan: Merkel hofft auf Einigung noch im Sommer
Sie hoffe sehr, dass bezüglich Corona-Aufbauplan eine Einigung noch im Sommer gelinge. „Das wird noch viel Kompromissbereitschaft von allen Seiten erfordern - auch von Ihnen“, sagte Merkel zu den Parlamentariern. Sie sagte zwar nicht, auf wen sich ihre Aussagen beziehen, erntete im EU-Parlament aber Zwischenapplaus. In einer Demokratie brauche es Wahrheit und Transparenz, sagte Merkel. Das zeichne Europa aus und dafür werde sich Deutschland während der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft starkmachen.

„Wir dürfen keine Zeit verlieren“
Merkel hatte zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein Volumen von 500 Milliarden Euro vorgeschlagen, die als Zuschüsse an die EU-Staaten gehen sollen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sattelte noch 250 Milliarden Euro als Kredite darauf, also 750 Milliarden und alles finanziert über gemeinsame Schulden über Jahrzehnte. Ende nächster Woche soll ein EU-Gipfel darüber befinden. „Wir dürfen keine Zeit verlieren, darunter würden nur die Schwächsten leiden“, sagte Merkel.

„Europa lässt sich immer neu entdecken“
Am Ende wurde die deutsche Kanzlerin persönlich. Als Musikliebhaberin höre sie die 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven - die Europahymne - immer wieder neu. So sei es auch mit Europa: „Es lässt sich immer wieder neu entdecken, und es beeindruckt mich immer noch“, sagte Merkel. Eindringlich pochte sie auf den Erhalt der Grundrechte wie Redefreiheit, Gleichberechtigung und religiöse Vielfalt in der EU. „Die Grundrechte, das ist das Erste, was mir in der Ratspräsidentschaft am Herzen liegt“, betonte Merkel. Sie seien das Fundament, auf dem Europa ruhe. Während der Corona-Pandemie seien sie zum Teil eingeschränkt worden, aber: „Eine Pandemie darf nie Vorwand sein, um demokratische Prinzipien auszuhebeln.“

Insgesamt wirkt die CDU-Politikerin dieser Tage, als hätte sie nach fast 15 Jahren Kanzlerschaft nun wirklich Europa als Herzensangelegenheit entdeckt. „Ich glaube an Europa“, rief sie den Abgeordneten zu. „Ich bin überzeugt von Europa - nicht nur als Erbe der Vergangenheit, sondern als Hoffnung und Vision für die Zukunft.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte in ihrer Rede im Plenum noch einmal, dass die Empfänger der Hilfen dafür Bedingungen erfüllen müssten, nämlich Reformen angehen. „Jeder Mitgliedstaat ohne Ausnahme muss seine Hausaufgaben machen“, erklärte von der Leyen. Der Hinweis sollte offenbar die sogenannten Sparsamen Vier beruhigen - Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark -, die immer noch große Bedenken gegen das Milliardenprogramm haben.

Satiriker lästerte im EU-Parlament über Merkel
Der deutsche EU-Abgeordnete Martin Sonneborn (55) machte sich unterdessen in der Plenarsitzung mit Merkel mit einem satirischen Redebeitrag über die deutsche EU-Ratspräsidentschaft lustig. „Anscheinend verspürt Europa eine unbändige Sehnsucht, sich deutscher Führung zu unterwerfen“, sagte der frühere Chefredakteur des „Titanic“-Magazins. In Anspielung auf die Nazizeit fügte er dann an: „Warum erst jetzt und nicht schon vor 80 Jahren? Dem Kontinent wäre einiges erspart geblieben.“

Sonneborn zog dann zum Beispiel über die Pläne für das milliardenschwere Corona-Konjunkturprogramm und den Umgang der EU mit dem umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban her. „Wenn ich richtig las, planen Sie, das Coronavirus mit viel Geld zu ersticken - übrigens etwas, das der EU mit dem nicht minder schäbigen Viktator Orban leider nicht geglückt ist“, sagte er an die Adresse von Merkel gerichtet.

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