Katias Kolumne

Von der Leyen: Sieht keiner die verheerende Optik?

Ausland
24.07.2019 11:55

Nun ist sie es doch geworden. Ursula von der Leyen darf sich seit vergangener Woche Europäische Kommissionspräsidentin nennen - dabei ist sie im Mai gar nicht zur Wahl gestanden. Das klingt komisch, ist aber so. Besonders demokratisch ist das jedenfalls nicht.

Natürlich hätte es schlechter kommen können. Von der Leyen zeigte sich im Vorfeld um einen Vertrauensvorschuss bemüht, ihre Reden sind flüssig wie professionell, ihr Auftreten sympathisch und dass sie die erste Frau im Amt ist, ist ein gutes Zeichen, das in die Welt geschickt wird. Dennoch war ihr Weg zur Kommissionspräsidentin nicht ganz sauber. Er hat den Mief eines unschönen Hinterzimmer-Deals. Es ist genau das, was die Europäische Union derzeit nicht braucht.

Schallende Ohrfeige in Richtung Wähler
Schon von der Leyens Nominierung war eine schallende Ohrfeige in Richtung Wähler. Dass weder Manfred Weber noch Frans Timmermans - die beiden Spitzenkandidaten der größten EU-Parteien - entgegen üblicher Gepflogenheiten und entsprechenden Erwartungen den europäischen Top-Job besetzen konnte, ist schon erstaunlich genug. Dass beide letztendlich im Rennen um den Kommissionspräsidenten aber von jemandem ausgestochen wurden, der bei der Wahl gar nicht erst angetreten war, zeigt die unsensible Abgehobenheit des EU-Rats. Ist sich denn keiner der verheerenden Optik bewusst?

Video: Von der Leyens Rede vor der Abstimmung im EU-Parlament

Von Postengeschachere und Ego-Interessen
Vor allem nach einer Europawahl, die von den Urnengängern mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 20 Jahren bedacht wurde, ist die Ernennung von der Leyens zur Kommissionspräsidentin ein Hohn. Was tingelten nicht die Spitzenkandidaten mit großen Versprechen durch Europa, um ihre Wähler zu mobilisieren. Wer sich von einem der Spitzenkandidaten überzeugen ließ, hat nun das Nachsehen. Keiner von ihnen ist Kommissionspräsident geworden.

Man kann es drehen und wenden wie man möchte: Einmal mehr ging es in der Frage, wer der Europäischen Kommission vorsitzt, um schnödes Postengeschachere und um durchsichtige Ego-Interessen einzelner Nationalstaaten. Das ist auch der Grund, warum sich von der Leyen letztendlich trotz Spitzenkandidatenprinzips durchsetzte. Nichts gegen sie persönlich: Aber das ist kein besonders schöner Grund.

Eine weitere verpasste Chance für die EU
Vor allem in Zeiten einer sich breitmachenden EU-Skepsis ist das plötzliche Aus-dem-Hut-Zaubern von der Leyens nicht unbedingt vertrauensfördernd. Jene, die ohnehin darüber lamentieren, dass „die dort in Brüssel“ ihr eigenes, hochdotiertes Süppchen kochen, werden sich durch die wenig transparenten Vorgänge der vergangenen Wochen bestätigt fühlen. Verübeln kann man ihnen diesen Eindruck nicht.

Es war eine Chance in Sachen viel geforderter Vertrauensbildung in die EU. Viele solcher Chancen gibt es nicht. Diese wurde verpasst.

Katia Wagner

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