Brisante Visite

Merkel überreicht Erdogan in Ankara Friedenstaube

Ausland
29.03.2010 17:34
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist am Montag zu einem brisanten Besuch in der Türkei eingetroffen. Seit Tagen schwelt ein Streit zwischen Ankara und Berlin um die Integration von Türken in Deutschland. Nun hat sich Merkel in einem Gespräch mit Premier Recep Tayyip Erdogan offen für türkische Schulen in Deutschland gezeigt. Zum weiteren Abbau der Spannungen überreichte sie ihrem Amtskollegen ein Geschenk mit Symbolkraft: eine Friedenstaube.

Merkel übergab dem lächelnden Erdogan das Ton-Modell der weißen Taube, das von einer neunjährigen Schülerin aus Unna in Nordrhein-Westfalen gefertigt wurde und Teil einer Friedensaktion ist. In einem Brief erläuterte die Schülerin, dass der Empfänger der Taube diese auf ihrem "Weg des Friedens" weiterleiten soll. Merkel gab ihrem Amtskollegen auch die Mailadresse der Schule in Unna, damit der Ministerpräsident den Empfang der Taube bestätigen kann.

Erdogan fordert türkische Gymnasien in Deutschland
Erdogan hatte kürzlich türkische Gymnasien in Deutschland gefordert. Er sagte, in der Türkei gebe es Schulen, die die Unterrichtssprache Deutsch hätten. Er hoffe und wünsche, dass es von deutscher Seite ähnliche Schritte geben werde. Er habe von der Kanzlerin gehört, dass man in diese Richtung gehen wolle, was ihn sehr freue.

Merkel wies nach dem Gespräch mit Erdogan darauf hin, es gebe bereits heute eine Vielzahl deutsch-türkischer Schulen in Deutschland und türkische Lehrer, die die türkische Sprache unterrichteten. Zudem erklärte sie: "Wenn Deutschland Auslandsschulen in anderen Ländern hat, zum Beispiel in der Türkei, dann kann es natürlich auch die Türkei sein, die Schulen in Deutschland hat."

Merkel für Bilingualität sowie Integration statt Assimilation
Ihr gehe es darum, dass man nicht in Deutschland leben sollte, ohne die deutsche Sprache zu können. Es gehe um Bilingualität, was heiße, dass beide Sprachen erlernt werden sollten. Dies sei die Voraussetzung für gute Integration. Merkel betonte zugleich, es gehe nicht um Assimilation. Jeder solle seine Wurzeln und seinen Glauben behalten. Aber man wolle erreichen, dass die Menschen, die in der dritten oder vierten Generation in Deutschland lebten, die Chance hätten, Lehrer, Polizist oder Wissenschaftler zu werden.

Zuvor hatte Erdogan in der Causa Gymnasien noch härtere Worte verlauten lassen. Unmittelbar vor Merkels Besuch kritisierte er während einer Reise in Libyen, wo er als Ehrengast am Gipfel der Arabischen Liga teilnahm, die Ablehnung seines Vorschlags: "Warum dieser Hass gegen die Türkei? Ich verstehe es nicht. Das hätte ich von Bundeskanzlerin Merkel nicht erwartet. Ist die Türkei ein Prügelknabe?"

"Divergierende Ansichten" zu EU-Beitritt
In der Frage einer EU-Vollmitgliedschaft der Türkei betonte Merkel, es gebe diesbezüglich divergierende Auffassungen. Die Beitrittsverhandlungen würden zwar fortgesetzt, aber die Zypernfrage sei noch ungeklärt - darüber müsse man noch einmal reden, um zu einer Lösung zu kommen. Merkel strebt eine "privilegierte Partnerschaft" der EU mit der Türkei an, die Türkei hingegen will einen Beitritt. "Wir führen bereits die Verhandlungen, und zwar auf Vollmitgliedschaft. Für uns gibt es dazu keine Alternative", hatte Erdogan zuvor gesagt, der die tief verwurzelten deutsch-türkischen Beziehungen als vorbildhaft für andere EU-Mitgliedsstaaten bezeichnete.

Vor dem Hintergrund von Merkels Türkei-Reise flammte in Deutschland der Streit über eine EU-Mitgliedschaft des Landes wieder auf. Neben den Grünen warb auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), für einen EU-Beitritt der Türkei. Polenz sagte: "Es wäre besser, die Türkei in der Europäischen Union zu haben - aber nur eine Türkei, die die EU-Kriterien erfüllt, nicht nur nach Buchstaben, sondern in Wort und Tat." Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Merkel ebenso auf, sich für einen EU-Beitritt der Türkei einzusetzen - das Angebot Merkels einer sogenannten privilegierten Partnerschaft sei ein Fehler. Letztlich bleibe es hinter dem schon Erreichten zurück. Altkanzler Kohl habe dem Land dagegen immer eine Beitrittsperspektive offen gehalten.

Zweitägiger Besuch mit dichtem Programm 
Merkel war am Montag zu einem zweitägigen Besuch in die Türkei gestartet. Zuletzt hatte sie das Land vor vier Jahren besucht. Neben den Gesprächen mit türkischen Politikern fand in Ankara eine Kranzniederlegung am Atatürk-Mausoleum statt. Am Dienstag will Merkel in Istanbul die Hagia Sophia und die Blaue Moschee besuchen. Außerdem kommt sie mit Vertretern deutscher Kirchengemeinden und der Wirtschaft zusammen. Die Kanzlerin wird von einer Wirtschaftsdelegation, Abgeordneten der Bundestagsfraktionen und der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer begleitet.

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