Kein Ende der Debatte

Nazi-Lied-Experte doziert jetzt über Gabalier-Hits

Medien
10.02.2019 13:40

Andreas Gabalier, seines Zeichens Hallen füllender „Volks-Rock-‘n‘-Roller“ und selbst ernannte Stimme der „wahren“ Österreicher, sorgte in den letzten Wochen wohl für mehr Schlagzeilen und Social-Media-Interaktionen als jeder Hollywoodstar - zumindest im deutschsprachigen Raum. Grund waren nicht zuletzt absurd anmutende Nazi-Vorwürfe und ein Münchner Musikpreis. Nun legt ein Experte nach - er hat einige von Gabaliers Hits auf Herz und Nieren geprüft.

(Bild: kmm)

Die Website bento.de bat den Historiker und Theologen Michael Fischer, geschäftsführender Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik der Universität Freiburg, um eine Interpretation. Fischer forsche „zu volkstümlichem Liedgut - aus der Zeit des Nationalsozialismus bis heute“, heißt es in dem Jugendportal von „Spiegel Online“. Er wisse also, wann es in einem Schlager tatsächlich nur um Heimat geht - und wann mit „Heimat“ mehr gemeint ist.

„Was Andreas Gabalier besingt, ist reaktionärer Kitsch und schon nahe an der Selbstparodie volkstümlicher Musik“ - schon das erste Zitat des Experten lässt keinen Zweifel an der Richtung seiner Analyse. Denn man dürfe sich nicht einlullen lassen - das ganze „Hulapalu“ mache „einzelne Passagen nicht weniger gefährlich“.

„Adler, die über Gipfel gleiten, Kameraden, die standhaft bleiben“ 
Während Gabalier selbst erst unlängst im großen „Krone“-Interview beteuerte, seine Musik sei „nicht politisch“, sieht der Musikwissenschaftler das Ganze völlig anders: „Im volkstümlichen Schlager werden meist nur Berge und Wiesen besungen, Gabalier aber wird politisch“, sagt Fischer. „Er singt von ,Freiheit‘, von ,Kameraden‘ und ,Heimatsöhnen‘ - damit nutzt er bewusst Begriffe aus einem rechtspopulistischen Umfeld.“ Viele Bilder, die Gabalier zeichne, fänden sich in alten Soldatenliedern wieder, ergänzt bento.de: „Adler, die über Gipfel gleiten, Kameraden, die standhaft bleiben.“

Im Detail sieht die deutsche Lieder-Analyse wie folgt aus.

Mein Bergkamerad“: Eisernes Kreuz bewusste Provokation
Zuerst zitiert Fischer aus dem Gabalier-Song „Mein Bergkamerad“:

Kameraden halten zusammen ein Leben lang
Eine Freundschaft, die ein Männerleben prägt
Wie ein eisernes Kreuz, das am höchsten Gipfel steht
Und selbst dem allerstärksten Sturmwind widersteht“

Fischer stößt sich hier vor allem am Begriff des „Eisernen Kreuzes“ und spricht von einer bewussten Provokation. „Wenn er von einem eisernen Kreuz auf einem Gipfel singt, dann kann das kein Zufall sein, so viel Naivität kann man Gabalier kaum unterstellen.“

Kleine Steile Heile Welt“: „Geradezu skandalös“
Nächstes „Opfer“ des Vertreters der Uni Freiburg ist die „Kleine Steile Heile Welt“ von Gabalier.

„I glaub an den Petrus an der Himmelstür
Der sagt, komm her zu mir, Buab, I muss reden mit dir
Vaterunser beten, Holzscheitelknien

„Geradezu skandalös“, meint Fischer, sei, dass hier das Vaterunser in derselben Textzeile mit einer „Foltermethode“ wie dem Holzscheitelknien stehe (auf der scharfen Kante eines Holzscheits zu knien, war an Schulen früher eine gebräuchliche Strafe, Anm.).

Mein Großvater Hat Gesagt“: „Überholte Rollenbilder“
In „Mein Großvater Hat Gesagt“ sieht der Experte „überholte Rollenbilder“:

„Es schmeichelt uns sehr, doch es macht uns net an
Warum muss denn a Dirndl heut sein wie a Mann
Völlig verbissen, schon fast verkrampft emanzipiert
So dass man die ganze Freud am Knuspern verliert
Aber jeder von uns steht halt net auf an Mann
Wir beißen viel lieber an am echten Dirndl an“

Besungen werde hier nur, so die Analyse, was heute angeblich schlecht sei - zum Beispiel emanzipierte Frauen. „Ohne aber im Umkehrschluss zu fordern, dass sie wieder an den Herd zurück sollen und die Kinder hüten.“ Gabalier müsse hier so vage bleiben, sonst würde er viele weibliche Fans verlieren, sagt Fischer.

„Provozieren, dann alles nicht so gemeint haben“
Ein bisschen provozieren, dann aber alles nicht so gemeint haben - das habe System, nicht nur bei Gabalier. Der Wissenschaftler erkennt ein „Spiel mit Begriffen“, das man so auch bei rechtspopulistischen Politikern findet, oder bei Rechtsextremen.

„Darf er das?“, fragen die Kollegen von bento.de abschließend: „Klar darf Gabalier dieses Weltbild in seinen Liedern besingen - auch der Schlager ist von der Kunstfreiheit geschützt“, betont der Liedgut-Experte. Allerdings solle jedem klar sein, welche Botschaften sich in seinen Liedern verbergen. Gabalier spiele bewusst „den naiven Lausbuben in Lederhosen“. Das Image verbreite er sowohl in seinen Texten als auch auf der Bühne. „Aber diese Rolle nehme ich ihm nicht ab.“

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