Wäre der Mann infolge seiner schizoaffektiven Psychose nicht als zurechnungsunfähig eingestuft worden, wäre ihm die Tat als versuchter Mord angelastet worden.
Kinder getreten und geohrfeigt
Für Prozessbeobachter war es schwer vorstellbar, dass der 46-Jährige bis zum 31. August 2008 ganz normalen Dienst in einem Wiener Postamt versah. Erst dann wurde ihm der vorzeitige Ruhestand nahegelegt. Beinahe unverständlich, in einem haspelnden Stakkato beantwortete er nun die Fragen des Gerichts. Vom Staatsanwalt erfuhr man, dass der Mann wenige Wochen vor dem Zwischenfall in der U-Bahn-Station einem siebenjährigen Buben einen heftigen Fußtritt versetzt und kurze Zeit später einen 13-Jährigen in einem Bus geohrfeigt hatte. Beide Kinder hätten ihn "blöd angeschaut", bemerkte der 46-jährige auf eine entsprechende Frage des Gerichts.
Mann leidet seit 20 Jahren an psychischen Problemen
An seinem Arbeitsplatz fiel es offenbar nicht auf, dass der Mann seit 20 Jahren an psychischen Problemen litt und mindestens zweimal stationär behandelt worden war. Bei mangelnder medikamentösen Versorgung komme es in solchen Fällen öfters vor, "dass Impulse und Affekte nicht mehr kontrolliert werden können", so die Gerichtspsychiaterin Sigrun Rossmanith.
Der Vorfall in der U-Bahnstation Karlsplatz hatte sich vor zahlreichen geschockten Augenzeugen abgespielt. Täter und Opfer kannten einander aus einem Wettbüro, wo der 46-Jährige gerade ein paar hundert Euro gewonnen hatte. Er lud den 52-Jährigen auf ein Cola ein, wollte das dann aber nicht zahlen, sondern zum Südbahnhof weiterfahren. Der Ältere dürfte ihm deswegen Vorhaltungen gemacht haben, zumal er sein gesamtes Bares verspielt hatte und sich kein Getränk mehr leisten konnte.
Garnitur donnert über 52-Jährigen hinweg
In dem Augenblick, als die U1 Richtung Reumannplatz einfuhr, schubste der 46-Jährige seinen Bekannten auf die Geleise. Die Garnitur war zu diesem Zeitpunkt noch mit 40 Stundenkilometern unterwegs. Obwohl der U-Bahnfahrer eine Notbremsung einleitete, donnerten die tonnenschweren Waggons über den 52-Jährigen hinweg.
Wie durch ein Wunder konnte dieser in den Zeugenstand treten und den Geschworenen "Ich leb noch!" zurufen. "Es ist einer glücklichen Fügung zu verdanken, dass er überlebt hat", meinte der Staatsanwalt. Das Opfer kam mit Rippenbrüchen, Hautabschürfungen, Prelllungen und einer amputierten Zehe noch glimpflich davon.
U-Bahnfahren traue er sich seither nur mehr in Begleitung, verriet der Zeuge. Außerdem leide er an Schlafstörungen.
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