Konzertierte Aktion

Top-Notenbanken senken Leitzins

Ausland
08.10.2008 18:33
Erstmals seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben die wichtigsten Notenbanken der Welt in einer konzertierten Aktion die Leitzinsen gesenkt. Die Europäische Zentralbank, die US-Notenbank sowie die Zentralbanken von Großbritannien, China, Schweden, Schweiz und Kanada lockerten am Mittwoch wegen der Finanzkrise die geldpolitischen Zügel deutlich. Für die Eurozone wurde der Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent reduziert. Das war die erste Zinssenkung seit Juni 2003. Zuletzt hatten die europäischen Währungshüter die Zinszügel im Sommer 2008 wegen wachsender Inflationsgefahren sogar noch angezogen.

Die US-Zinsen wurden um 0,5 Punkte auf 1,5 Prozent heruntergeschraubt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) senkt das Zielband für den Dreimonats-Libor um einen Viertelprozentpunkt auf 2,0 bis 3,0 Prozent. Zum zweiten Mal in weniger als einem Monat wurden auch in China die Zinsen heruntergeschraubt, die dortige Zentralbank senkte den Zinssatz für Kredite mit einjähriger Laufzeit um 0,27 Prozentpunkte auf 6,93 Prozent.

Darüber hinaus lockerten die Bank of England, die Schwedische Zentralbank sowie die Bank of Canada die Zinszügel jeweils um 50 Basispunkte. Die Bank of Japan unterstützt die Schritte der anderen Notenbanken mit Nachdruck, wie es in einer Mitteilung der EZB hieß.

IWF fordert weitere Schritte
Der IWF sieht aber trotz der jüngsten Zinssenkungen der führenden Notenbanken weiteren Handlungsbedarf im Kampf gegen einen weltweiten Abschwung. Es seien möglicherweise weitere Zinssenkungen nötig, sagte IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard am Mittwoch in Washington. Dennoch könne die Geldpolitik nur einen Teil der Antwort auf das Problem liefern. Insbesondere in Europa müssten die Probleme im Finanzsektor angegangen werden. "Wenn die richtige Politik gemacht wird, ist die Wahrscheinlichkeit einer großen Depression sehr gering", fügte der IWF-Chefökonom hinzu.

Gemeinsame Antwort der EU geplant
Die EU-Staaten bereiten nach Worten des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ein koordiniertes Vorgehen zur Abwehr der Finanzkrise vor. "Frankreich und die europäische Präsidentschaft arbeiten an dieser globalen, koordinierten Antwort", sagte Sarkozy am Mittwoch kurz nach der Zinssenkung der Notenbanken. "In den kommenden Stunden werden wir konkrete Ergebnisse haben."

Paris gründet staatliche Auffanggesellschaft für Banken
Auf nationaler Ebene werde Paris eine durch den Staat gehaltene "juristische Struktur" schaffen, die "finanziell eingreifen" solle, wenn Banken in Gefahr gerieten, sagte Regierungschef Francois Fillon am Mittwoch vor der Nationalversammlung. Demnach soll das Parlament die Gesellschaft mit einer staatlichen Garantie ausstatten, damit diese ohne Verzögerungen über "das notwendige Kapital für ein Eingreifen" verfüge. Die Gesellschaft könne dabei auch vorübergehend Anteile an bedrohten Instituten übernehmen. Fillon präzisierte damit Frankreichs Strategie, den Bestand des Bankensystem als Ganzes zu garantieren.

Barroso-Rede zur Finanzkrise
Am Morgen hatte der britische Premierminister Gordon Brown bereits erklärt, er habe den europäischen Partnern einen "europäisches Finanzierungsprogramm" vorgeschlagen. Sarkozy und Brown nannten keine Details. Der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte mit Blick auf den Anstoß von Brown in Brüssel jedoch: "Die Arbeiten laufen." Er verwies auf die Rede von Barroso zur Finanzkrise im Europäischen Parlament am Nachmittag.

Am Dienstag hatten die EU-Finanzminister den für das gesamte Bankensystem wichtigen Kreditinstituten staatliche Rettung im Notfall zugesagt. Dabei soll jedes Land von Fall zu Fall allein entscheiden. Initiativen zu einem EU-weiten Rettungsfonds von Frankreich und Italien hatte vor allem Deutschland, zunächst aber auch Großbritannien zurückgewiesen.

"Vertrauensbildende Maßnahme"
Merkel sieht in der Leitzinssenkung eine "vertrauensbildende Maßnahme". Sie sei hilfreich zur wirtschaftlichen Kräftigung. Es müsse alles daran gesetzt werden, dass die Realwirtschaft möglichst wenig von der Finanzkrise betroffen werde.Zuvor hatte der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, die Zinssenkung mit den Unsicherheiten an den Finanzmärkten begründet: "Es galt entschlossen zu handeln angesichts der jüngsten Zuspitzung der Turbulenzen an den Finanzmärkten." Die Zentralbanken hätten damit ein klares Signal gesendet, dass sie alles tun werden, um eine weitere Verschärfung der Finanzkrise zu verhindern.

Die US-Regierung hat die konzertierte Zinssenkung der weltweit wichtigsten Notenbanken als nützlichen Schritt im Kampf gegen die Finanzkrise begrüßt. "Es ist wichtig und hilfreich, dass die Zentralbanken abgestimmt gegen die Belastungen im Finanzsystem vorgehen", sagte Präsidialamtssprecher Tony Fratto in Washington.

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