"Elefantenrunde"

Herzliche Lobhudelei bei TV-“Elefantenrunde”

Österreich
18.09.2008 14:12
Von ihrer menschlichen Seite gezeigt haben sich die Spitzenkandidaten von ÖVP, FPÖ, Grünen, BZÖ und LIF am Mittwochabend in der sogenannten "Elefantenrunde" auf "Puls4": Skirennläufer Rainer Schönfelder bat die Politiker während der zweistündigen Diskussion per Videobotschaft, die positiven Eigenschaften der jeweiligen politischen Kontrahenten hervorzuheben (mehr dazu unten). Darüber hinaus bekräftigten die Politiker in der über weite Strecken ruhig geführten Debatte ihre Haltung zu den Themen Ausländer, Arbeitsmarkt, Pensionen, Familie, Klimawandel und EU. Nicht vertreten war SPÖ-Chef Werner Faymann, der sich auf Wahlkampftour befand.

Einmal mehr im Mittelpunkt der Debatte stand die von SPÖ sowie von FPÖ und BZÖ gewollte Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Molterer betonte, dass eine derartige Maßnahme "vollkommen falsch" sei. "Das kostet viel Geld und hilft nicht, ist sauteuer und wirkt nicht." Van der Bellen bezeichnete eine rasche Abgabensenkung als Gebot der Stunde. Diese könnte schon 2009 greifen, wobei er der SPÖ vorwarf, von diesem Termin abgegangen zu sein. Strache will neben der Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel auch eine Senkung des Lohnsteuersatzes, Haider will einen Teuerungsausgleich für Einkommensschwächere und die Einführung von Billigdieseltankstellen. Schmidt trat für eine Anpassung der Tarife ein, die seit 20 Jahre unverändert seien.

Keine Einigung bei Mineralölsteuer-Senkung
Uneinigkeit gab es erwartungsgemäß auch bei einer von Blau und Orange präferierten Senkung der Mineralölsteuer. Molterer erklärte ebenso wie Van der Bellen, dass dies eine falsche Antwort wäre. Es würde den Tanktourismus fördern, und dann gebe es noch mehr Zukunftsprobleme. Vielmehr trat Molterer für das Österreich-Ticket ein, mit dem man um 125 Euro monatlich alle öffentlichen Verkehrsmittel benützen können solle. Van der Bellen sprach sich für spezifische Hilfen für Pendler aus. Eine Mineralölsteuersenkung würde nur den Ölscheichs nützen. Haider widersprach und meinte, die Argumentation sei absurd, weil man dann 100 Prozent Steuern einheben müsste, damit niemand mehr die Treibstoffpreise anhebe.

Strache merkte an, der Finanzminister habe von der Erhöhung der Mineralölsteuer um 700 Millionen Euro profitiert, dieses Geld solle man den Bürgern zurückgeben. Schmidt merkte an, es sei nicht der richtige Weg, das Autofahren billiger zu machen, obwohl man natürlich Pendler und jene, die den Pkw brauchten, entlasten müsse.

Differenzen beim Thema Ausländer
Beim Thema Ausländer schieden sich erwartungsgemäß die Geister. Strache wies zurück, eine ausländerfeindliche Politik zu betreiben. "Aber wir differenzieren zwischen anständigen und unanständigen" Ausländern. Für Haider liegt das Hauptproblem mit Ausländern in Wien. Was die Integration in Schulen betrifft, sollten Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache zuerst von Lehrern Deutschunterricht erhalten, um dann am Unterricht nach Erlangen der Sprachkompetenz teilnehmen zu können. Molterer betonte, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus müssten in Österreich verpönt sein. Es müsse aber einen Unterschied zwischen dem "heiligen Asylrecht" und einem Bleiberecht geben.

Schmidt bezeichnete diese Aussage als zynisch. Es gebe nicht einmal einen Rechtsanspruch auf ein humanitäres Bleiberecht. Van der Bellen hielt es für skandalös, dass Menschen wie Arigona Zogaj kein Bleiberecht erhalten. "Das finde ich hirnrissig."

Gute Ausbildung eine Notwendigkeit
Beim Thema Arbeitsmarkt wurde von allen Teilnehmern die Notwendigkeit einer guten Bildung bzw. Ausbildung unterstrichen. Molterer nannte als Ziel, dass es keinen Jugendlichen geben dürfe, der nicht entweder einen Ausbildungsplatz oder einen Lehrplatz habe. Strache wollte vor allem im Pflegebereich mehr junge Menschen haben und bemängelte, dass hier Lernwillige abgewiesen würden und "man lieber den jetzigen illegalen Zustand weiter legalisiert und Fachkräfte aus den osteuropäischen Ländern nimmt". Haider will Förderungen für jene Betriebe, die auch Lehrlinge ausbilden. Die Lasten würden hier derzeit vor allem die Klein- und Mittelbetriebe tragen und die Industrie werbe dann Fachkräfte ab. Schmidt sprach sich neuerlich für eine Grundsicherung aus, damit Menschen ohne Arbeit "nicht ins Bodenlose fallen".

Molterer fordert "klare Spielregeln für Pensionskassen"
Beim Thema Pensionen hielt Molterer fest, dass es "klare Spielregeln für Pensionskassen" geben müsse, die in der Veranlagungspolitik solide sein müssten. "Die Zeit, wo man mit spekulativer Abzocke in kürzester Zeit sehr viel Geld macht und Probleme an die Gemeinschaft delegiert, das darf nicht sein." Haider merkte an, dass es ohne Arbeit überhaupt keine Pension nach dem Umlageverfahren geben könne. Er votierte für einen Mittelstandsfonds. Van der Bellen hielt dies für eine gute Idee, über die man reden könne. Grundsätzlich sollte bei der Veranlagung von Privatpensionen gelten, das Risiko zu streuen. Strache bekannte sich zum Drei-Säulen-Modell und bezeichnete es als unhaltbar, dass 400.000 Frauen eine Pension unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz erhalten.

Aufgeheizte Stimmung beim Thema EU
Etwas emotionaler wurde die Stimmung beim Thema EU. Molterer betonte, Österreich sei der Gewinner der Mitgliedschaft in der EU. Mit der Erweiterung der EU und durch die Union seien Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen worden. Strache meinte, als überzeugter Europäer müsse man nicht von der Fehlentwicklung "des Vereins EU begeistert sein". Er trete für ein föderalistisches und kein zentralistisches Europa ein. Van der Bellen sieht die EU als unvollkommene, verbesserungsfähige Antwort auf die Globalisierung der Wirtschaft. Aber es sei besser als Österreich fünf Jahre zu isolieren. Haider hielt dem entgegen, dass es dem Nachbarn Schweiz blendend gehe und in einigen Bereichen besser als Österreich. Es "mag sein, dass EU-Skeptiker manches falsch sehen", sagte er, aber es sei auch ein Faktum, dass "vieles, was vor der Volksabstimmung Österreichs versprochen wurde, nicht erfüllt wurde".

"Ich schätze Van der Bellens Mut zum Bart"
Fast schon herzlich wurde es bei der Frage von Skirennläufer Rainer Schönfelder, was die Kontrahenten an ihren jeweiligen politischen Gegnern schätzen. Haider: "Alle sind höflich und auch im Zug der letzten Diskussion bereit gewesen, zuzuhören und Argumente aufzunehmen." Van der Bellen: "An Schmidt mag ich, dass wir in manchen Punkten übereinstimmen. An Molterer schätze ich seine politische Bodenständigkeit. Strache teilt mit mir die Streitlust und bei Haider finde ich gut, in vielen Dingen dazugelernt zu haben, mit Ausnahme der Ortstafeln." Strache: "Van der Bellen ist ein sehr intelligenter, angenehmer Gesprächspartner. Haider ist ein perfekter Schauspieler, Schmidt eine Person, wo ich es beachtlich finde, dass sie nicht aufgibt und für ihre Ideale in den Ring steigt. Molterer sehe ich als korrekten Menschen, der könnte auch ein guter Pfarrer sein." Molterers Retourkutsche: "Ihnen würde ich keine Absolution erteilen."

Schmidt lobte: "Haider ist meistens gut angezogen, Strache ist professionell, Molterer hat eine gute Rhetorik und Van der Bellen ist ein redlicher Politiker." Molterer: "Bei Van der Bellen schätze ich den Mut zum Bart, bei Schmidt ganz besonders, dass sie es trotzdem wieder probiert. Bei Strache schätze ich, dass er heute ohne seinen potenziellen Koalitionspartner Faymann da ist, und bei Haider schätze ich, dass er immer für Überraschungen gut ist, obwohl mich nicht jede Überraschung positiv überrascht."

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