AfD jubelt bei Wahl

“Vielleicht der Anfang vom Ende Angela Merkels”

Ausland
05.09.2016 06:49

Debakel für Angela Merkels CDU bei der Landtagswahl im ostdeutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern: Die mitregierenden Christdemokraten fielen nach ihrem bereits schwachen Abschneiden 2011 noch weiter zurück und wurden von der rechtspopulistischen AfD überflügelt. Deren Landesparteichef Leif-Erik Holm sah darin die Quittung für Merkels Politik auf Bundesebene: "Vielleicht ist das der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels." Die SPD unter Ministerpräsident Erwin Sellering konnte ihren ersten Platz verteidigen.

Die SPD erhielt nach dem in der Nacht auf Montag veröffentlichten vorläufigen amtlichen Endergebnis 30,6 Prozent der Stimmen nach 35,6 Prozent im Jahr 2011. Die CDU unter ihrem Landeschef und Innenminister Lorenz Caffier verzeichnete mit 19 Prozent ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis im Nordosten. Vor fünf Jahren hatte sie in Mecklenburg-Vorpommern, wo auch die Bundesvorsitzende Merkel ihren Wahlkreis hat, noch 23 Prozent der Stimmen erhalten. In der ARD sagte Caffier, er sehe für einen Rücktritt "im Moment keine Veranlassung".

AfD kommt aus dem Stand auf 20,8 Prozent
Die AfD kam auf 20,8 Prozent und erzielte damit nach Sachsen-Anhalt ihr zweitbestes Ergebnis in einem Bundesland überhaupt. Mit ihr will jedoch keine der etablierten Parteien im Landtag zusammenarbeiten. Die in Ostdeutschland traditionell stark verwurzelte Linkspartei verlor fast ein Drittel ihrer Wähler und fuhr mit 13,2 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern nach 18,4 Prozent im Jahr 2011 ein. Die Grünen kamen nur noch auf 4,8 Prozent der Stimmen nach 8,7 Prozent.

Die rechtsradikale NPD flog mit 3 (6) Prozent nach zwei Wahlperioden aus dem Parlament und ist in keinem Landtag mehr vertreten. Die FDP, die nach ihrem Ausscheiden 2011 auf ein Comeback gehofft hatte und nächstes Jahr die Rückkehr in den Bundestag schaffen will, blieb mit 3 Prozent ebenfalls deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition möglich
Damit ist die Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition möglich, die auf eine deutliche Mehrheit von 42 der 71 Sitze bauen könnte. Rechnerisch ist auch ein Bündnis von SPD und Linkspartei eine Option, das über 37 Mandate verfügen würde. Ministerpräsident Sellering sagte, er habe keine Präferenz für eine Koalitionsoption. Es gebe neben der CDU auch eine zweite Möglichkeit.

Der 66-Jährige verfügt nach acht Amtsjahren über hohen Rückhalt in der Bevölkerung. Laut einer ARD-Umfrage sind 73 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit zufrieden. CDU-Generalsekretär Peter Tauber forderte die SPD auf, die Große Koalition mit der CDU fortzusetzen. "In solchen herausfordernden Zeiten braucht es in Mecklenburg-Vorpommern stabile Verhältnisse", sagte Tauber in Berlin.

"Wir schreiben hier und heute Geschichte"
Groß war der Jubel bei der AfD, die mit 18 Abgeordneten in den Landtag einzieht und laut Wahlanalysen Stimmen von allen etablierten Parteien und vor allem von bisherigen Nichtwählern gewann. "Wir schreiben hier und heute in Mecklenburg-Vorpommern Geschichte. Endlich gibt es mal wieder eine Opposition im Landtag", sagte Spitzenkandidat Holm vor jubelnden Anhängern. "Vielleicht ist das der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels."

Die Sozialdemokraten werteten den Wahlsieg auch als gutes Zeichen für die weitere Arbeit im Bund. Sellering und die Landespartei hätten gezeigt, "was es bedeutet, wenn Sozialdemokraten erstens gute Politik machen und zweitens kämpfen", sagte Bundesparteiobmann Sigmar Gabriel in Berlin. Generalsekretärin Katarina Barley zeigte sich überzeugt, dass das Ergebnis auch Schwung für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus in zwei Wochen bringt, wo die SPD ebenfalls ihren Spitzenplatz verteidigen will. Nach Ansicht des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller zeigt das Ergebnis, dass man "mit klarer Kante gegenhalten" müsse gegen die AfD.

Flüchtlingsthema spielte wesentliche Rolle
Einer ZDF-Umfrage zufolge spielte das Thema Flüchtlinge eine wesentliche Rolle für die Wähler, gleich hinter der Schaffung von Arbeitsplätzen. Allerdings sind in dem Bundesland mit seinen rund 1,7 Millionen Einwohnern laut dem Schweriner Innenministerium nur knapp 23.000 Flüchtlinge registriert. Sellering forderte, Merkel müsse umsteuern und nicht einfach sagen: Ich bleibe dabei - wir schaffen das. "Die Menschen haben große Sorgen, und darauf muss man eingehen", sagte Sellering. Auch Caffier mahnte einen Wechsel an. Er habe Merkel gesagt, es gebe bei den Menschen eine große Verunsicherung: "Darauf muss der Bund reagieren."

CDU-Generalsekretär Tauber lehnte einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik allerdings ab. Es sei Aufgabe aller im Bundestag vertretenen Parteien, die Politik besser zu erklären und um AfD-Wähler zu werben, die vor allem für den Protest gestimmt hätten. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, räumte im ZDF ein, dass mit der Wahl offenbar die Koalition im Bund habe "ein Stück weit auch abgestraft werden" sollen. Offenbar müsse die Regierung gerade ihre Flüchtlingspolitik besser erklären und den Menschen klarmachen, dass viele Sorgen vor Ort unnötig seien.

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