Hartes Urteil

Deutsches CIA-Opfer muss 2 Jahre ins Gefängnis

Ausland
30.03.2010 16:29
Die Geschichte des Khaled el-Masri klingt wie das Drehbuch zu einem Agenten-Thriller, dürfte aber wahr sein: Der Deutsch-Libanese wurde während eines Mazedonien-Aufenthalts von CIA-Agenten verschleppt und gefoltert - während die deutschen Behörden untätig zuschauten. Heute gilt El-Masri als traumatisiert. Er fiel mehrfach wegen Straftaten auf. Jetzt wurde er wegen einer Prügelei zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Es war zu Silvester 2003, als der damals 40-Jährige auf dem Weg in einen Kurzurlaub an der mazedonischen Grenze von Grenzpolizisten aus dem Reisebus geholt wurde. Er war ins Visier einer internationalen Terrorfahndung geraten - offenbar, weil er den gleichen Namen hat wie einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001.

Monatelang verhört und misshandelt
23 Tage lang wurde El-Masri in Mazedonien verhört, misshandelt und anschließend dem US-Geheimdienst überstellt. Die CIA flog ihn nach Afghanistan, wo er monatelang in einem Kellerverlies festgehalten, andauernd verhört und schwer misshandelt wurde. Hier will er auch von einem Deutschen verhört worden sein.

Ende Mai 2004 wurde El-Masri nach Europa zurückgeflogen und schließlich in einem Wald nahe der albanischen Grenze ausgesetzt. Ein Grenzbeamter griff ihn auf. "Ich habe ihm erzählt, was mit mir passiert ist. Daraufhin hat er mich ausgelacht und mir gesagt, ich soll das nur keinem erzählen, sonst würden sie mich auslachen", sagte El-Masri Anfang 2005 in einem Interview.

Behörden hielten Skandal lange geheim
Nach seiner Rückkehr vertraute sich El-Masri einem Anwalt an, der sich zunächst an das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt wandte. Die Öffentlichkeit erfuhr erst ein Jahr nach der Entführung von dem Fall, als die Münchner Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm. Der damalige deutsche Innenminister Otto Schily soll erst nach El-Masris Freilassung vom damaligen US-Botschafter Daniel Coats unter der Bedingung der Verschwiegenheit darüber unterrichtet worden sein, dass die CIA den Falschen ergriffen hatte.

Auch andere Behörden wollten nichts von dem Fall gewusst haben - eine Version, die sich später als falsch erwies. Denn im Juni 2006 korrigierte der Bundesnachrichtendienst (BND) frühere Angaben: Ein Mitarbeiter sei doch von Anfang an über den Fall informiert gewesen, habe sein Wissen aber nicht weitergegeben. Wann die deutsche Botschaft in Mazedonien von dem Fall wusste, ist unklar.

El-Masri vom Rechtsstaat im Stich gelassen?
Khaled el-Masri jedenfalls konnte sich in Deutschland nicht mehr einfinden, fiel immer wieder wegen Straftaten auf. So zündete er einen Großhandels-Markt an, weil er nach eigener Wahrnehmung von Angestellten ungerecht behandelt worden war. Vor dem Landgericht Memmingen muss sich El-Masri nun wegen vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung verantworten. Laut Anklage stürmte er am 11. September 2009 in das Büro des Neu-Ulmer Bürgermeisters Gerold Noerenberg und schlug auf diesen ein.

El-Masris Anwalt ist der Auffassung, die Regierung sei nach der Verschleppung seines Mandanten untätig geblieben und habe nichts zur Wahrung der Rechte des Angeklagten unternommen. "Seitens der Exekutive hat er nicht einmal das Schwarze unter dem Fingernagel bekommen", so der Anwalt. Sein Mandant sei freizusprechen. Wegen "Verletzung der Rechtsstaatlichkeit". Der Staat, der El-Masri im Stich gelassen habe, dürfe ihn nun nicht richten.

Richterin verweist auf schlechte Sozialprognose: 2 Jahre Haft
Die Richterin sah das anders und verurteilte El-Masri wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung. Sie argumentierte, es gebe keine günstige Sozialprognose oder Hinweise darauf, dass sich der 46-Jährige künftig an die Gesetze halten werde.

Die Argumentation der Verteidigung, dass der Staat kein Recht habe, El-Masri zu verurteilen, wies die Richterin zurück. "Das gibt dem Angeklagten nicht das Recht, dass er Straftaten begeht." El-Masri selbst reagierte ungehalten auf das Urteil und brach sein Schweigen. Er unterstellte in schwer verständlichen Worten, dass er nun gezwungen werden solle, mit den Geheimdiensten zusammenzuarbeiten. "Niemand ist so hoffnungslos versklavt wie jene, die glauben, im Rechtsstaat zu leben", schrieb er in einem Brief, aus dem das Landgericht zitierte.

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