Sand ja, Urlaub nein

So wüst ist Krieg in der Wüste: “Spec Ops: The Line”

Spiele
29.06.2012 15:41
Krieg ist weder schön noch ehrenhaft. Doch vor allem: Krieg kennt keine Sieger. In vielen Shootern wird dies ausgeblendet und die schrecklichen Konsequenzen unter den Teppich gekehrt. "Spec Ops: The Line", entwickelt vom deutschen Spielestudio Yager in Berlin, möchte in dieser Hinsicht die Ausnahme von der Regel sein und einen "frischen Ansatz" im Genre der Militärshooter bieten – und hat damit - ansatzweise - auch Erfolg.

Als Captain Martin Walker versetzt "Spec Ops: The Line" den Spieler auf der Suche nach Colonel John Konrad und seinem vermissten Bataillon nach Dubai, das nach einer Reihe verheerender Sandstürme vom Rest der Welt abgeschnitten ist. All der Luxus und die Statussymbole der einst so prachtvollen Metropole liegen unter einer dicken Schicht Sand begraben, und mit ihnen auch die öffentliche Ordnung und Moral.

Davon wissen Walker und seine beiden Kameraden bei ihrer Ankunft in Dubai zunächst jedoch nichts. Doch die vermeintlich simple Suchaktion entwickelt sich recht bald zu einem Kampf auf Leben und Tod, bei dem es eines jedenfalls nicht zu geben scheint: einen eindeutigen Sieger. Was eben noch gut und richtig gewesen sein mag, entpuppt sich im nächsten Moment als folgenschwerer Fehler.

Konfrontation mit den Konsequenzen
"Spec Ops: The Line" spielt geschickt mit dem Thema Befehlsgewalt bzw. Befehlshörigkeit und ihren Folgen. Anders als üblich, werden Spieler jedoch nicht unmittelbar vor die Wahl gestellt. Es gibt keine Buttons für "Ja" oder "Nein", die bei der Entscheidungsfindung behilflich wären, stattdessen drückt man ab oder lässt die Waffe stecken, geht der Gefahr aus dem Weg oder stürzt sich in sie hinein.

Diese subtile Konfrontation mit moralischen Entscheidungen ist es dann auch, die den 3rd-Person-Shooter "made in Germany" so interessant macht – wenngleich man sich manchmal wünschen würde, Yager wäre bei der Gegenüberstellung des Spielers mit den Konsequenzen seines Handelns nicht gar so zurückhaltend gewesen. Ein wenig mehr Dramatik, ohne dabei gleich in typische Hollywood-Klischees abzudriften, hätte dem Titel sicher gut gestanden.

Hoher Wiederspielwert
Der Wiederspielwert ist jedoch trotz der mitunter etwas zahmen Inszenierung hoch – zumindest, was die Story mit ihren alternativen Enden anbelangt. Hinsichtlich Gameplay bewegt sich "Spec Ops: The Line" hingegen auf bekannten Pfaden – wie Entwickler Jörg Friedrich im Interview mit krone.at einräumt, allerdings durchaus gewollt (siehe Infobox).

In von anderen Genrevertretern bestens bekannter Manier kriecht oder rutscht man jedenfalls in die Deckung, schießt blind hinter dieser hervor und springt anschließend elegant darüber, um zur nächsten Deckung vorzustoßen, am Boden verstreut liegende Munition aufzuklauben oder einem verwundeten Kameraden zu Hilfe zu eilen.

Solide Unterstützung
Letzteres kommt glücklicherweise jedoch selten vor. Die meiste Zeit über agieren die KI-gesteuerten Begleiter zuverlässig und mit Bedacht – was man von der zahlenmäßig weit überlegenen Gegenseite nicht unbedingt behaupten kann. Sollte es einmal brenzlig werden, stehen Walkers Begleiter auf Knopfdruck, aber mit Blendgranaten oder einem gezieltem Sperrfeuer auf einen zuvor markierten Gegner zur Seite.

Direkte Positionen lassen sich den KI-Kameraden leider nicht zuordnen, wodurch sich die taktische Komponente in Grenzen hält. Zwingend nötig ist dies aber ohnehin nicht, sind die Level in "Spec Ops: The Line" doch insgesamt sehr schlauchartig angelegt – was durch imposante Kulissen drumherum allerdings geschickt verschleiert wird.

Sand als Waffe
Diese bestehen übrigens in erster Linie aus Sand, der sich wie eine Konstante durch alle Innen- und Außenlevels zieht, genauer gesagt: in diesen verteilt. Mitunter lässt sich der Sand dabei zum eigenen Vorteil nutzen, indem man beispielsweise Glasscheiben oder Oberlichter zerschießt, um darunter stehende Gegner in einer Flut von Sand zu begraben. Oder man wirbelt absichtlich mittels Granaten kleinere Sandwolken auf, um den Feind kurzzeitig zu blenden.

Die Sandeffekte, allen voran die Stürme, in denen man die Hand vor Augen kaum sieht, gehören mit zum Besten, was "Spec Ops" zu bieten hat. Zu oft ist allerdings vorgegeben, wann von den feinen Körnchen taktisch Gebrauch zu machen ist. Eine etwas größere Freiheit mit der Waffe Sand wäre wünschenswert gewesen.

Imposante Kulisse
Wenn er aber schon nicht zu nutzen ist, so sieht der Sand wenigstens hübsch aus. Das gilt auch für den Rest Dubais und seine einst so eleganten Wolkenkratzer, in deren vergoldetem und schillerndem Inneren nun das Chaos und die Zerstörung herrschen. Dazu passend serviert werden den Ohren überwiegend rockige Klänge, die sich unterm Strich sehr gut in das Szenario einfügen – insbesondere natürlich Jimi Hendrix' "Star Spangled Banner", das den Gamer gleich zu Beginn im Hauptmenü des Spiels begrüßt.

Hat man nach gut sechs bis sieben Stunden die Kampagne durch, hält "Spec Ops: The Line" noch einen recht umfassenden, klassenbasierten Multiplayer-Part bereit, in dem es Waffen, Ausrüstungen und andere Extras für den eigenen Charakter als Belohnung freizuspielen gilt. Ein zielbasierter Koop-Modus, in dem sich die Spieler gemeinsam durch Angriffswellen und Sand kämpfen müssen, soll schätzungsweise im August kostenlos nachgereicht werden.

Fazit: Wenn "Call of Duty" Michael Bays "Pearl Harbor" ist, dann ist "Spec Ops: The Line" wohl am ehesten mit Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" zu vergleichen (bestimmte Parallelen nicht ganz ausgeschlossen). Subtiler als andere Vertreter seiner Art, führt der Titel dem Spieler die Schrecken des Krieges vor Augen, ohne dabei jedoch die Action und den Spaß am Spielen außer Acht zu lassen. Schade nur, dass das Gameplay mit der Stärke der erst langsam, dann immer schneller ins Rollen kommenden Story nicht mitzuhalten vermag und über weite Strecken lediglich Standard-Kost bietet.

Plattform: Xbox 360 (getestet), PS3, PC
Publisher: 2K
krone.at-Wertung: 8/10

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