Omertà in 15 Kapiteln

“Mafia II”: Kolossale Kulisse kaschiert trügerische Freiheit

Spiele
08.09.2010 11:32
"Der Typ, der zu viel erreichen will, riskiert, alles zu verlieren. Und derjenige, der zu wenig vom Leben will, kriegt vielleicht gar nichts." Das hat uns schon im Jahr 2002 Tommy Angelo, Hauptprotagonist in "Mafia – The city of lost heaven", glaubhaft gelehrt. Volles Risiko haben auch die Entwickler des heißersehnten Sequels "Mafia II" von 2K Games genommen, denn der Erwartungsdruck war enorm, ebenso wie die Wartezeit. krone.at entschlüsselt, warum sich das Ausharren dennoch gelohnt hat, der zweite Teil des Kultspiels schlichtweg überragend ist, aber trotz allem ein wenig hinter den Erwartungen zurückbleibt…

"Mafia II", endlich ist es da. Ich kann gar nicht sagen, wie lang herbeigesehnt, wie oft diskutiert, wie verheißungsvoll angepriesen, wie oft verschoben dieser Titel letztendlich wurde. Egal, alles vergessen. Ich bin bereit mich auf die Figur des Vito Scaletta einzulassen, die Straßen des 16 Quadratkilometer großen Empire Bay City zu erforschen, mich fallen zu lassen in eine fiktive Welt italo-amerikanischen Gangsterdaseins, umgeben von Omertà, Ehrenkodex, Macht und Geld. Man reiche mir eine Tommy-Gun und bitte einen Hut dazu.

Der Plot des Gangster-Epos ist die kriminelle Karriere des jungen Vito und spielt in den 1940er- und 1950er-Jahren. In 15 Kapiteln – die meist je einen Tag im Leben des Helden behandeln - werden in einer packenden Story die Höhen und Tiefen des Mafioso-Daseins ebenso behandelt, wie der ganz normale Alltag im organisierten Verbrechen. Als verwundeter Kriegsveteran kehrt Vito aus Sizilien in seine Heimatstadt Empire Bay zurück. Sein Vater ist mittlerweile gestorben und hat nach einem harten Leben als Hafenarbeiter nichts hinterlassen - außer Schulden. Und die zwielichtigen Gläubiger rücken bereits Vitos adrett-anmutiger Schwester auf den ärmlichen Pelz.

Fließender Übergang zwischen Interaktivität und Kinofeeling
Leicht fällt Vito sodann die Entscheidung, sein Glück als Gangster zu versuchen, denn auf ihn wirkt die Dreifaltigkeit aus Geld, Macht und Respekt weit anziehender, als das christliche Verständnis derselben, das ihm seine Mutter nahelegen will. Auch der Einstieg in die Unterwelt fällt ihm nicht schwer, hat doch sein Freund aus Kindertagen, Joe Barbaro, sogleich die nötigen Kontakte parat und vermittelt Vito seine ersten Jobs.

Wahrlich gelungen ist in "Mafia II" die stimmige Hochzeit zwischen einer packenden Story voll unabsehbarer Wendungen mit einem "Third-Person-Action-Adventure", wie es die Entwickler von 2K Czech nennen. So fließen gut zwei Stunden an Zwischensequenzen, gespickt mit authentischen und textlich äußerst glaubwürdigen Dialogen, ins Spielgeschehen ein, die durchwegs mit der eigens entwickelten Illusion Engine realisiert wurden. Dieses mächtige Tool wiederum gewährt einen nahezu fotorealistischen Übergang zwischen Interaktivität und Kinofeeling.

Authentischer Charme ohne "political correctness"
Die Geschichte strotzt zudem vor bissiger Ironie und lässt so gut wie kein Gangster-Klischee aus. Auch die "political correctness" kommt – ganz im (rückständigen) Geiste der 50er – durchwegs zu kurz: Sexismus, Rassismus und rohe Gewalt verleihen dieser von Testosteron dominierten Welt authentischen Charme. Hinterfragen sollte man diesen aber besser nicht.

Eingebettet wurde das Gesamtwerk in die fiktive Millionenmetropole Empire Bay City. Die grafisch kolossale Spielwelt fesselt von Anfang an, der Detailreichtum ist gewaltig, die Möglichkeiten scheinen nahezu unbegrenzt. Um der enormen Fläche beizukommen, steht eine Vielzahl zeitgemäßer Vehikel (Limousinen, Coupés, Cabrios, Laster etc.), die mit einem ausgeklügelten Schadensmodell ausgestattet wurden, zur Verfügung. Dieses Tool wird soweit ausgereizt, dass neben Dellen, Beulen, Splitterbrüchen, Einschusslöchern und platten Reifen auch Verschmutzungen und witterungsbedingte Phänomene berücksichtigt werden. Beispielsweise wird etwa der Schnee am Autodach vom Fahrtwind hinweggefegt.

"Das Setting setzt neuen Maßstab für jedes Spiel"
Der Detailreichtum setzt sich auch in der gesamten Stadtarchitektur fort: Passanten und Tauben reagieren auf Hupgeräusche, Regenschirme fallen im Wind zu Boden, Holzzäune brechen unter dem Gewicht der Straßenkreuzer zusammen. Und wenn vor den Augen des Betrachters eine (voll begehbare) stählerne Hängebrücke im Glanz der tiefstehenden Sonne strahlt... – einfach gelungen eben!

"Wenn man ein Setting schafft, das eine geschichtliche Ära präzise wiedergibt, setzt man einen neuen Maßstab für jedes Spiel, das in der realen Welt spielt", bringt es Christoph Hartmann, Präsident von 2K, stolz auf den Punkt. Auch die Gebäude versprühen zeitgemäßes Flair, über einhundert davon seien zudem voll begehbar, verriet Alan Cox, Associate Producer von 2K Czech. Stets einen Besuch wert sind auch die vielen Bars, Burgerläden, Gun-Shops, Herrenausstatter und Tankstellen, die neben ihrem eigentlichen Zweck auch als beliebte Ziele für Überfälle zur Aufbesserung des Salärs dienen.

Trügerische Freiheit durch fesselnde Story
Doch gerade diese durchwegs üppige Kulisse vermittelt einen Eindruck von spielerischer Freiheit, der dann doch wieder enttäuscht wird. Denn die Story ist fesselnd im doppelten Sinne: Vito eilt nämlich stets von einer Mission zur nächsten, Nebenmissionen, die auch zu einem tiefergehenden Erforschen der Stadt einladen würden, wurden nicht realisiert. Dadurch bleiben auch viele spektakuläre Schauplätze völlig ungenutzt und über die Existenz mancher Ecken von Empire Bay informiert lediglich die Übersichtskarte.

Um wenigstens ein Side-Achievement einzubauen, kann man etliche Playmate-Magazine sammeln, die durchwegs äußerst ansprechende Covergirls zieren und Männerherzen höher schlagen lassen. Doch auch diese findet man stets entlang der Mission-Hot-Spots. Ein echter Leckerbissen dagegen sind die rund 100 lizensierten Songs, die man via Autoradio während der Fahrten durch die Stadt genießen kann – Dean Martin, John Lee Hooker, Doris Day, Bing Crosby und viele mehr lassen grüßen…

Innenraum(um)gestaltung im Kugelhagel
Die Missionen selbst sind ein Potpourri aus mannigfaltiger Geldbeschaffung, Rachefeldzug, Überlebenskampf im Gefängnis und maskuliner Beschützer-Allüren, die je nach Bedarf mit geballter Feuerkraft, flinken Fäusten oder fahrerischen Höchstleistungen zu bewältigen sind. Besonders erfrischend ist dabei der Einsatz von Thompson, Schrotflinte und Colt .45 im blutigen Gefecht. Der Charakter regiert dabei dynamisch auf umherfliegende Trümmer und Explosionsdruckwellen, beinahe alles, was Vito und seine Kumpels aufs Korn nehmen lässt sich im Kugelhagel zerstören, formvollendet umgestalten, ausknipsen und durchlöchern.

Das wiederum verlangt einerseits nach einem Deckungssystem, das diesen Anforderungen gerecht wird (geglückt!) und andererseits nach einer entsprechenden KI der Widersacher. Hier begegnet man jedoch sowohl ausgefuchsten Gegnern mit Sinn für Strategie und Stellungswechsel als auch recht verloren wirkenden Cops, die meist schnell überlistet oder abgehängt werden können.

Kopf statt Knopf im Nahkampf
Geht es dagegen mal ohne Schießeisen zur Sache, weiß sich Vito ebenfalls zu wehren. Zwar ist das Nahkampfsystem, bestehend aus verschiedenen Treffern, Combos, Deckung und Finishing-Moves, schlicht gehalten und schnell erlernt, es erfüllt aber optisch seinen Zweck. Durchwegs geschmeidig massakriert Vito so seine Kontrahenten und setzt dabei auch gerne Kopfstöße oder Fußtritte ein, um sich der endgültigen Niederlage des Widersachers zu versichern.

Fazit: Das Eintauchen in die Welt der Mafia ist den Entwicklern auch im Fortsetzungsepos "Mafia II" hervorragend gelungen. Das Design der riesigen Metropole, deren Detailreichtum und die fotorealistischen Texturen sowie mimischen Animationen der Akteure lassen kaum Wünsche offen. Binnen gut zwölf Stunden Spielvergnügen erlebt man mit Vito Scaletta die Licht- und Schattenseiten einer kriminellen Mafia-Karriere in den 50er-Jahren hautnah mit - ob mit Bleispritze, blanker Faust, derbem Gangster-Jargon oder mit Bleifuß am Gaspedal. Schade nur, dass die Möglichkeiten, die eine derartige Open-World-Architektur zulassen würde, nicht ausgereizt sind und mangels Free-Ride-Modus und Nebenmissionen die Stadt oft zur Kulisse verblasst. Der Anreiz zum wiederholten Spielen fällt daher eher mäßig aus. Doch sollen schon im Herbst zwei Erweiterungs-Packs ("Jimmy’s vendetta" und "Betrayal of Jimmy") mit neuen Inhalten zur Rückkehr nach Empire Bay einladen.

Plattform: XBox (getestet), PS3, PC
Publisher:

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

(Bild: KMM)
(Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)
Kreuzworträtsel (Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)



Kostenlose Spiele