Uralte Symbiose

Bakterien im Körper ernähren Plattwurm ohne Mund

Wissenschaft
28.06.2011 10:19
Eine erstaunliche Partnerschaft haben Meeresbiologen der Universität Wien entdeckt. Sie fanden heraus, wie sich ein nur wenige Millimeter langer, mund- und darmloser Plattwurm, der sowohl in tropischen Meeren als auch im Mittelmeer vorkommt, ernährt. Demnach wird das Tier mit dem Namen Paracatenula (Bild) von Bakterien gefüttert, die im Inneren seines Körpers leben.

Schon bei der Entdeckung des Tiers in den frühen 1970er-Jahren war es ein Rätsel, wie es sich ohne Mund und Darm ernähren kann. Die Wiener Forscher haben nun gezeigt, dass die Plattwürmer, die in seichten marinen Sandböden zu finden sind, in einer Symbiose mit intrazellulären Bakterien (sie erscheinen im hinteren Bereich des ca. sechs Millimeter langen Wurms schwarz) leben. Dieses Zusammenleben existiert schon seit 500 Millionen Jahren - länger als jede andere bekannte Symbiose zwischen Tieren und Bakterien.

Erklärung kam aus der Tiefsee
Die Idee zur Erklärung, wie sich ein Tier ohne Mund und Darm ernähren kann, kam aus der Tiefsee. Dort hatte man bei heißen Quellen ebenfalls mundlose, über einen Meter große Riesenröhrenwürmer entdeckt. Diese leben - wie Paracatenula - in einer Symbiose mit intrazellulären Bakterien, die Schwefelverbindungen oxidieren.

Mit der daraus gewonnenen Energie bauen sie - so wie Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht - Kohlenstoff zu Biomasse auf. Die Symbionten, also die kleineren Partner der Symbiose, sind dabei so produktiv, dass sich ihre Wirte komplett von den Stoffwechselprodukten der Bakterien ernähren können, wie Studienautor Harald Gruber-Vodicka im Gespräch erläuterte.

Hälfte des Körpers besteht aus Bakterien
Die Wissenschaftler haben die Bakterien auf den Namen "Riegeria" getauft, benannt nach dem Entdecker von "Paracatenula", dem Innsbrucker Zoologen Reinhard Rieger. Wie weit die Partnerschaft von Wurm und Mikroorganismen geht, zeigt folgendes Detail, das die Forscher herausgefunden haben: Die Bakterien leben intrazellulär in spezialisierten Zellen, den sogenannten Bakteriozyten, und machen bis zu 50 Prozent des Gesamtgewebes des Wurms aus. "Das ist absoluter Rekord und deutlich mehr als in allen anderen bekannten Symbiosen zwischen Tieren und Bakterien", so Gruber.

Der Vorteil dieser Partnerschaft liegt für die Bakterien in der erhöhten Mobilität und zudem im Schutz vor viralen Infekten. "Das Meerwasser ist voll von Viren, die sich auf Bakterien spezialisiert haben, und die intrazelluläre Lebensweise schützt vor Neuinfektionen", erklärte der Meeresbiologe.

Äußerst treue Partnerschaft
In ihrer Partnerschaft sind Wurm und Bakterien sehr treu. Wie der Vergleich der Stammbäume zeigte, haben die Würmer noch nie ihre Symbionten gewechselt. Wie diese Weitergabe an die Nachkommen funktioniert, wird derzeit von den Wiener Meeresbiologen untersucht.

Foto: Harald Gruber, Jörg Ott

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