Auschwitz-Prozess

Vier Jahre Haft für früheren SS-Mann Gröning

Ausland
15.07.2015 17:42
Das Landgericht im deutschen Lüneburg hat den früheren SS-Mann Oskar Gröning am Mittwoch zu vier Jahren Haft verurteilt. Der auch "Buchhalter von Auschwitz" genannte 94-Jährige habe sich der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen schuldig gemacht, urteilte das Gericht. Ob der gesundheitlich angeschlagene Deutsche haftfähig ist, muss die Staatsanwaltschaft prüfen, wenn das Urteil rechtskräftig ist.

Das Gericht ging mit seinem Urteil über das von der Anklage geforderte Strafmaß hinaus. Gröning hatte im Prozess seine Beteiligung und moralische Mitschuld am Holocaust eingeräumt. Gröning hatte gestanden, Geld von Verschleppten gezählt und zur SS nach Berlin weitergeleitet zu haben. Er sagte aus, zwei- bis dreimal vertretungsweise Dienst an der Rampe getan zu haben, um dort Gepäck zu bewachen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dreieinhalb Jahre Haft gefordert, von denen 22 Monate als verbüßt angesehen werden sollten, weil eine Verurteilung schon vor Jahrzehnten möglich gewesen wäre. Erste Ermittlungen hatte es 1977 gegeben. Anwälte der mehr als 70 Nebenkläger hielten das von der Staatsanwaltschaft verlangte Strafmaß für zu gering. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert, weil Gröning den Holocaust im strafrechtlichen Sinne nicht gefördert habe.

Waffen-SS-Freiwilliger wurde zum "Buchhalter von Auschwitz"
Oskar Gröning galt als "Buchhalter von Auschwitz". Er war Freiwilliger der Waffen-SS, der nach dem Dienst in dem Konzentrationslager im September 1944 in eine Einheit, die an der Front kämpfte, wechselte. Nach seinen Angaben geschah das erst nach dem dritten von ihm gestellten Versetzungsgesuch.

Nach dem Krieg kam Gröning zunächst in britische Gefangenschaft, dann lebte er mit Frau und Kindern ein bürgerliches Leben in der Lüneburger Heide. Erst 1985 öffnete er sich: In einer Dokumentation der britischen BBC berichtete er über das, was er in Auschwitz sah und tat. Er selbst beschrieb sich dabei als "Rädchen im Getriebe". Gröning berichtete 2005 auch dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" von seiner Zeit in Auschwitz. Das Porträt "Der Buchhalter von Auschwitz" schildert ihn als jemanden, der seit Jahrzehnten nach einem anderen Wort für Schuld sucht.

Ehemaliger KZ-Wachmann muss vor Jugendgericht
Ebenfalls vor einem deutschen Gericht muss sich nun ein 92-jähriger ehemaliger Wachmann des KZ Auschwitz verantworten. Der wegen Beihilfe zum Mord Angeklagte wird allerdings vor der Jugendkammer des Gerichts erscheinen müssen, da er zur Tatzeit noch ein "Heranwachsender" war, also noch nicht das 21. Lebensjahr erreicht hatte. In Deutschland handelt es sich bei Menschen zwischen 18 und 21 Jahren um sogenannte junge Menschen, bei denen unter Umständen das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt.

Der damals 19 beziehungsweise 20 Jahre alte Mann, der heute im Raum Hanau im Bundesland Hessen lebt, soll als SS-Mann in Auschwitz Wachdienst verrichtet und dabei an der organisatorischen Abwicklung von drei Transporten aus Berlin, Drancy (Frankreich) und Westerbork (Niederlande) beteiligt gewesen sein. Von den Deportierten seien mindestens 1.075 sofort nach ihrer Ankunft in den Gaskammern grausam und heimtückisch getötet worden. Der 92-Jährige ist einer der 14 Verdächtigen, deren Wohnungen im Februar 2014 bei einer landesweiten Aktion durchsucht worden waren.

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