"Dauert eine Minute"

Ungarn: Pflicht zur Registrierung von Wählern erzürnt

Ausland
27.11.2012 10:32
Mit 251 Ja-, lediglich 91 Nein-Stimmen und einer Stimmenthaltung ist am Montag im ungarischen Parlament jenes umstrittene Wahlgesetz beschlossen worden, das bei Kommunal-, Parlaments- und Europaparlamentswahlen eine Registrierung von Wählern vorschreibt. Bis 15 Tage vor dem Urnengang müssen sich in Zukunft Wahlberechtigte anmelden, wenn sie wählen möchten. Die Opposition sieht dahinter das Kalkül des Premiers Viktor Orban (Bild), sozial benachteiligte Wähler von einer Stimmabgabe fernzuhalten.

Vor allem älteren Menschen ohne Internet würde es durch diese "bürokratische Hürde" schwerfallen, den zuweilen weiten Weg zur Gemeinde zu bewältigen, wo die Registrierung stattfände.

Hinter der Einschränkung des Wahlrechts vermuten politische Beobachter, dass der rechtskonservative Ministerpräsident Orban und seine Partei Fidesz-MPSZ (Jungdemokraten-Ungarischer Bürgerbund) nichts dem Zufall überlassen möchten, um 2014 wiedergewählt zu werden. Gerade deswegen sollen unberechenbare Wähler, die sich durch die bisherige Politik benachteiligt fühlen, von den Urnen ferngehalten werden. Am 19. November demonstrierten bereits Tausende Bürger vor dem Parlament gegen die Pflichtregistrierung.

Regierungsbündnis versteht hochgebauschte Diskussion nicht
Das Regierungsbündnis, bestehend aus Fidesz-MPSZ und Christdemokraten, weist die Kritik zurück. Da die Registrierung persönlich beim Notar des zuständigen Gemeinderates, im Internet oder - im Falle einer Behinderung - im Zuge eines "Hausbesuches" durch den zuständigen Notar erfolgen könne, gebe es keinerlei Benachteiligung. Auslandsungarn, die über eine Doppelstaatsbürgerschaft verfügen, können sich per Brief oder im Internet registrieren.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Orban-Partei, Gergely Gulyas, versteht die Aufregung im In- und Ausland nicht: "Die Wählerregistrierung hat ein unbegründet hohes Gewicht bei den innenpolitischen Diskussionen bekommen. Das ist ein in mehreren europäischen Ländern übliches Verfahren und es bedeutet für die Wähler alle vier Jahre nur einen Aufwand von einer Minute."

Was er dabei aber verheimlicht, ist die Tatsache, dass es sich bei den von ihm genannten Ländern um jene handelt, in denen es keine Meldepflicht gibt, so wie etwa in Großbritannien.

Oppositionsplattform warnt vor Boykott der Registrierung
Die neue Plattform "Gemeinsam 2014", deren Ziel die Abwahl Orbans ist, warnte vor einem Boykott der Wählerregistrierung. Vielmehr sollten demokratische Parteien und NGO sozial schwachen Bürgern dabei helfen, sich zu registrieren. Firmen sollten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, sich während der Arbeitszeit registrieren zu lassen.

Die "wirkungsvollste Art des Protestes" gegen die Registrierung sei, wenn möglichst viele daran teilnehmen, heißt es in einer Aussendung der Plattform "Gemeinsam 2014", hinter der Ex-Premier Gordon Bajnai mit seiner Stiftung "Heimat und Fortschritt" sowie die Facebook-Gruppe MILLA (Eine Million für die Pressefreiheit) und die überparteiliche Gewerkschaftsorganisation Szolidaritas stehen.

Regierung: Gleiche Chancen für alle Parteien
Viel weniger Beachtung werden weiteren Punkten des Wahlgesetzes geschenkt: So wird die Wahlwerbung zeitlich auf 50 Tage beschränkt. Um, so die Begründung der Regierung, allen wahlwerbenden Parteien die gleichen Chancen zu ermöglichen, darf Wahlwerbung darüber hinaus nur mehr in öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern und in Online-Nachrichtenportalen bzw. -zeitungen geschaltet werden. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen Werbung unentgeltlich ausstrahlen.

Der für die Kampagnen verfügbare Zeitrahmen umfasst je Medium höchstens zehn Stunden, die proportional unter den Parteien aufgeteilt werden müssen. Die Opposition fürchtet, dass der Zeitpunkt der Ausstrahlung nicht neutral entschieden werden könnte: Es sei nicht gleich, ob eine Wahlwerbung in der Pause eines wichtigen Fußballspieles geschaltet werde oder während einer Kochsendung, hieß es von Oppositionsvertretern.

Auch bei den notwendigen Unterstützungerklärungen für eine Wahlkandidatur gibt es Änderungen. Bei Parlamentswahlen sind künftig nur mehr 500 Unterschriften notwendig, diese können aber auch von nicht registrierten Wahlberechtigten stammen.

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