Vorwahl-Showdown

US-Experten erklären: So läuft der “Super Tuesday”

Ausland
01.03.2016 06:12

In den USA ziehen heuer wieder die Präsidentenanwärter der Parteien ein halbes Jahr lang von Staat zu Staat. In unzähligen Vorwahlen werden ihre Delegierten für die Bundesparteitage im Sommer gewählt. Am "Super Tuesday" fällt die Entscheidung in 14 Vorwahlen der Republikaner und 13 der Demokraten. Peter Filzmaier sprach mit seinen Professorenkollegen Stephen Wayne und Hans Noel von der Georgetown University in Washington.

Peter Filzmaier: Ganz Europa spricht über Donald Trump, der als verhaltensauffälliger Kandidat der Republikanischen Partei nach den ersten Vorwahlen führt. Was ist der Grund dafür?
Hans Noel: Trumps Anziehungskraft ist leicht zu erklären: Er erzählt weißen Amerikanern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, dass sie nicht daran schuld sind. Das wären die bösen Politiker. Es ist dieselbe Botschaft wie bei europäischen Populisten, und sie funktioniert auch in den USA sehr gut.
Stephen Wayne: Trump hat geschafft, was der Partei nicht gelang: Er hat die Basis der Republikaner erweitert. Ansonsten politikferne und enttäuschte Wähler stimmen für ihn.

Filzmaier: Wer ist nun der stärkste Herausforderer von Trump? Ted Cruz, der Senator aus Texas? Oder Marco Rubio aus Florida?
Noel: Cruz hat die zweitmeiste Unterstützung von den Wählern. Doch die Parteiführung mag ihn noch weniger als Trump.
Wayne: Senator Rubio ist der für die Gesamtheit aller Amerikaner am meisten wählbare republikanische Kandidat. In den Vorwahlen am Dienstag wird er trotzdem kaum einen oder gar keinen Staat gewinnen. Die Basis hat er zu wenig hinter sich.

Filzmaier: Ist es nicht so, dass die Parteispitze einen gemäßigten Kandidaten will? Was also, wenn Trump oder der ultrakonservative Cruz vorne bleiben? Droht den Republikanern ein Chaos-Parteitag, weil Führer der Partei trotzdem Rubio zum Kandidaten machen wollen?
Noel: Das kann passieren, würde aber dem letztlich siegreichen Kandidaten nicht schaden. Am Ende wird er mit Luftballons und Konfettiregen gefeiert, und davor gibt es die meisten Parteitagszuseher in der Fernsehgeschichte. Das schadet nicht, sondern hilft.

Filzmaier: Warum hatte der Präsidentensohn und -bruder Jeb Bush keine Chance?
Wayne: Die Präsidentschaften der Bushs waren ein Misserfolg, und Jeb gilt noch weniger als durchsetzungsstark.

Filzmaier: Bei den Demokraten ging man davon aus, dass Hillary Clinton eine sichere Siegerin ist. Muss sie wirklich kämpfen? Oder ist Bernie Sanders die Inszenierung eines Gegners, um die Medienbühne nicht den Republikanern zu überlassen?
Noel: Nein. Sanders ist nicht bloß da, um das Rennen spannender zu machen. Er ist als Protestkandidat gestartet und wurde von Clinton anfangs unterschätzt. Sie wird wahrscheinlich nur gewinnen, weil der liberale Sanders in den Südstaaten wenig Chancen hat.

Filzmaier: Was sind Clintons Stärken und Schwächen?
Wayne: Hillary Clintons größte Stärke ist Trump als Gegner. Durch ihn kann sie die Demokraten hinter sich versammeln und Unterstützung von unabhängigen Wählern gewinnen. Sonst ist sie erfahren, doch man vertraut ihr nicht. Sie wirkt weder umsichtig noch um die Menschen besorgt. Zugleich fehlt es ihr an Leidenschaft, und sie hat nicht das Kommunikationstalent ihres Mannes Bill, auf Leute zuzugehen.

Filzmaier: Im US-Fernsehen jagen eine Diskussionssendung und ein Werbespot den nächsten. Sind die USA im Wahlfieber, oder haben wir einen falschen Eindruck?
Noel: Das stimmt bloß für die frühen Vorwahlstaaten. Anderswo in den USA gibt es kaum Fernsehwerbung und keine Medienblitzlichter. Die Wahlbeteiligung ist aus einem Grund gestiegen: Die Leute fühlen sich gut unterhalten.
Wayne: Genau. Es gibt trotz steigender Beteiligung fast keine Anzeichen, dass die Wähler politisch besser informiert sind als in früheren Vorwahlen.

Filzmaier: Die USA gelten als das Land der sowohl teuersten als auch professionellsten Wahlkämpfe. Parteistrategen aus Europa betreiben ein Shopping-Modell, was sie übernehmen können. Gibt es 2016 neue Strategien in den Wahlkampagnen?
Noel: Trump hat es geschafft, kaum Werbegeld ausgeben zu müssen, weil gerade die ihn kritisierenden Medien ihm am meisten Gratis-Sendezeit geben. Bei den Demokraten ist es Sanders gelungen, fast ausschließlich mit Kleinspenden aus dem Internet und einer Mobilisierung durch soziale Medien wie Facebook erfolgreich zu sein. Das ist nicht neu, hat jedoch eine komplett neue Dimension erreicht.

Filzmaier: Die Schlussfrage ist klar: Wer wird die Vorwahlen, wer die Wahlen gewinnen?
Noel: Ich fühle mich bei Prognosen zum jetzigen Zeitpunkt unwohl. Bei den Republikanern hat Rubio im Moment Rückenwind. Doch ob dieser stark genug ist? Clinton ist in der klar besseren Position als Sanders.
Wayne: Clinton gegen Rubio wäre ein harter Kampf. Selbst wenn Clinton gewinnt, werden die Republikaner im Abgeordnetenhaus ihre Mehrheit behalten. Sie würde in der Präsidentenrolle als deren Feindbild extrem große Schwierigkeiten haben.

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