Fukushima-Unglück
Tepco ließ Not-Systeme des AKWs nicht warten
Nach außen hin benehmen sich die Tepco-Chefs, wie man es von ihnen gemäß japanischen Gepflogenheiten im Krisenmanagement erwartet. Sie geben ihre Statements nicht in luxuriösen Hotelkonferenzsälen ab, meistens zu dritt oder zu viert drängen sie sich irgendwo unter einer Neonleuchte an einen kleinen Tisch, Blaumann statt Nadelstreif, stets demütig den Blick zu Boden gerichtet. Nur wer das Wort hat, darf den Kopf zum Publikum heben.
Tarnen und täuschen
Zufrieden sind die Japaner mit den Vertretern des Stromerzeugers aber deswegen noch lange nicht. Zehn Tage nach Beginn der Unfallserie im Atomkraftwerk Fukushima 1 spielen sie das tägliche "könnte sein", "möglicherweise", "vielleicht" und "die Werte stellen keine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar" noch immer. Am liebsten wäre es ihnen wohl gewesen, man hätte das Ganze vertuschen können. Die Taktik wurde anfangs wohl tatsächlich verfolgt. Delbst angefertigte Bilder vom AKW-Gelände gab Tepco nur auf Druck nach den ersten Explosionen in Fukushima 1 frei.
Die japanische Regierung sowie die Atomsicherheitsbehörde machen in der Rolle des Informationsgebers allerdings keine bessere Figur, zumal man hier offenbar viel Gewicht darauf legt, nicht mit vorschnellen Hiobsbotschaften eine Panik zu verursachen.
Der Grat zwischen vorsichtiger Krisenkommunikation, Vorenthaltung von Informationen und handfester Lüge ist für Tepco, aber auch die Regierung und die Behörden ein schmaler. Zumindest in Bezug auf den Zustand des Kraftwerks vor dem Erdbeben wird der Stromgigant aber jetzt diesen Grat überschritten. Bei den Inspektionen in Fukushima 1 hat es offenbar massive Unregelmäßigkeiten gegeben.
33 Geräte und Maschinen der Notsysteme nicht gewartet
Japanische Medien zitierten am Montag aus einem Schreiben Tepcos an die Atomsicherheitsbehörde, in dem das Unternehmen elf Tage vor dem Erdbeben und dem Tsunami Unzulänglichkeiten eingesteht. Insgesamt 33 Geräte und Maschinen seien seit längerer Zeit nicht untersucht worden, teilte Tepco am 28. Februar in dem Schreiben an die Behörde mit. Darunter ausgerechnet die Notstromgeneratoren, Pumpen und andere Teile des Kühlsystems, die dann vom Tsunami beschädigt wurden und deren Totalausfall zu den massiven Problemen in dem Kraftwerk führte. Einen laut Schreiben nicht überprüften Motor der Notstromversorgung in Block 1 sollte Tepco später sogar als Teil-Verursacher für die Überhitzung des Reaktors in dem Block ausmachen.
Japanische Zeitungen druckten allerdings auch die Antwortschreiben der Atombehörde ab, die ebenfalls Zündstoff bergen und Fragen bezüglich der Vorschriften für AKW-Betreiber aufwerfen: Die Atomaufsicht gab Tepco nämlich bis 2. Juni 2011 Zeit, einen Korrekturplan auszuarbeiten und die Inspektionen durchzuführen. In ihrem Schreiben vom 2. März äußerte sich die Behörde allerdings überzeugt, dass die ausgefallenen Inspektionen kein unmittelbares Risiko für die Sicherheit des AKWs haben würden. Die vergessene Wartung blieb für Tepco also ohne Konsequenzen.
Tepco: Welle war zu hoch für Unglückskraftwerke
Indes teilte Tepco am Dienstag mit, die zwei beschädigten Atomkraftwerke in Fukushima seien von einer 14 Meter hohen Flutwelle getroffen worden. Das sei mehr als doppelt so hoch, wie Experten bei der Planung der Anlagen erwartet hatten, berichtete der Fernsehsender NHK unter Berufung auf die Betreiberfirma. Das Unternehmen hatte demnach die Wände der beschädigten Kraftwerke Fukushima 1 und 2 am Montag untersucht.
Nach Angaben von Tepco sei die Anlage Fukushima 1 auf einen Tsunami von 5,70 Metern ausgelegt worden, Nummer 2 für eine Höhe von 5,20 Metern. Die Gebäude mit den Reaktoren und Turbinen wurden nach NHK-Angaben 10 bis 13 Meter über den Meeresspiegel errichtet. Bei der Katastrophe wurden sie teilweise überschwemmt. Tepco hatte bereits zugegeben, dass die Kraftwerke nur für ein Beben der Stärke 8,0 bis 8,3 ausgelegt worden waren. Das Erdbeben am 11. März hatte aber die Stärke 9.
38.000 Mitarbeiter - und alles andere als skandalfrei
Die Tokyo Electric Power Company ist eines der größten Unternehmen Japans. Der Energieerzeuger mit Hauptsitz in Tokio wurde 1951 gegründet und beschäftigt mehr als 38.000 Mitarbeiter. Knapp 260 Firmen gehören zum Tepco-Verbund. 2009 wurden nach Unternehmensangaben 280.000 Gigawattstunden Strom verkauft. Fukushima ist das mit den beiden Kraftwerken Fukushima-Daiichi (Fukushima 1) und Fukushima-Daini (Fukushima 2) das Herz von Japans Atomindustrie, hier gibt es zehn Reaktoren.
Störfälle und Vertuschungsaffären prägten die Geschichte der Anlagen 200 Kilometer nordöstlich von Tokio. Zuletzt schwappte nach einem Erdbeben im Juni 2008 radioaktives Wasser aus einem Becken, in dem verbrauchte Brennstäbe lagerten. 2006 trat radioaktiver Dampf aus einem Rohr, 2002 wurden Risse in Wasserrohren entdeckt. Im Jahr 2000 musste ein Reaktor wegen eines Lochs in einem Brennstab abgeschaltet werden. 1997 und 1994 gab es ähnliche Vorfälle. Im September 2002 räumte Tepco ein, Berichte über Schäden jahrelang gefälscht zu haben.
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