10 Jahre Ära Erdogan

Neuer Machtfaktor Türkei als das China Europas

Ausland
15.02.2013 15:33
Die dritte Türkenbelagerung ist abgeblasen: Kinder und Enkelkinder der Gastarbeitergeneration kehren jetzt immer öfter in die Heimat der Vorfahren zurück. Dort greifen sie nach der Chance als Trendsetter für gut ausgebildete, zweisprachige Vertreter der jungen Generation: Die Türkei von heute benötigt Menschen mit Leistungsehrgeiz und Kenntnis modernen Wirtschaftens. Denn am Bosporus - und vor allem "dahinter" in Anatolien - boomt ein wahres Wirtschaftswunder. So wie den Chinesen vor 30 Jahren ist den 75 Millionen Türken plötzlich der Knopf aufgegangen.

Es sind die zehn Jahre der Ära Recep Tayyip Erdogan (Bild), die Verbindung von Islam – besser gesagt: Frömmigkeit – und Modernisierung. Es sind die zehn Jahre tiefgreifenden Wandels: marktwirtschaftlich-kapitalistischer Reformkurs und Demokratisierung (mit großen Schritten im türkischen Maßstab, aber kleinen Schritten im weltweiten Maßstab).

Wirtschaftsvolumen vervierfacht
Das türkische Wirtschaftsvolumen hat sich vervierfacht. Die Zuwachsraten sind die höchsten in Europa - die Türkei ist Mitglied des Europarats seit dessen Gründungsjahr 1949. Der Staat am Bosporus rangiert wirtschaftlich in Europa heute auf Platz sechs, in der Welt auf Platz 17. Österreichs Wirtschaft zählt mit acht Milliarden Euro zu den Spitzenreitern unter den ausländischen Investoren in der Türkei.

Der größte gesellschaftliche Umbruch vollzog sich in den ländlichen Gebieten Anatoliens, die von der kleinen Elite des Atatürk-Systems völlig vernachlässigt worden waren. Dort entstand jetzt eine Mittelschicht als tragende Säule des Staates.

Ministerpräsident Erdogan fielen und fallen zwei Glücksfälle in den Schoß: das Zerbrechen der Sowjetunion und die Lage der Türkei an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien sowie zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer. Die Türkei knüpfte alte Verbindungen zu den (energiereichen) Turkvölkern Asiens, türkische Konzerne bauen Russland und die Ukraine auf. Der Einfluss der Türkei umfasst das alte Gebiet des Osmanischen Reichs vom Balkan bis Nordafrika, nach Mesopotamien und Zentralasien. Die Türkei wurde Regionalmacht im Schwarzmeer- und östlichen Mittelmeerraum.

Das nächste Ziel ist der Weltraum
Unter dem Bosporus geht in der 14-Millionen-Metropole Istanbul der Verbindungstunnel zwischen Europa und Asien seiner Vollendung entgegen, und mit dem Start eines türkischen Satelliten an Bord einer chinesischen Rakete werden auch im Weltraum ehrgeizige Ziele für den 100. Geburtstag von Atatürks Republik im Jahr 2023 angepeilt. Ein türkischer Professor dazu: "Von den etwa 200 Staaten auf der Welt haben 56 Satelliten im All, davon stellen nur 25 diese selbst her, und nur elf schießen sie selbst ins All. Wir wollen der zwölfte sein."

Türkei will globaler Mitspieler sein
Hyperaktiver Motor des türkischen Aufstiegs ist "Sultan" Erdogan mit überschäumendem Selbstbewusstsein und dem Hang zum Selbstherrlichen. Es ist kaum vorstellbar, dass sich der starke Mann der starken Türkei irgendwann einmal mit der Rolle eines Dreißigstel-Mitglieds der EU zufriedengeben will. Darüber ist die Zeit hinweggegangen. Ein Erdogan verkehrt mit Brüssel nun in Augenhöhe eins zu 27.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele