Geheimverträge

Luxemburg erspart Konzernen Milliarden an Steuern

Wirtschaft
06.11.2014 12:40
Luxemburg soll mit Hunderten multinationalen Konzernen Geheimverträge zur Vermeidung von Steuerzahlungen abgeschlossen haben: Laut nun von Medien ausgewerteten Geheimdokumenten genehmigte das Großherzogtum Firmen wie der Deutschen Bank, Ikea und Amazon Finanzstrukturen, mit denen sie ihre Steuern auf teils lediglich ein Prozent drückten. Die Enthüllungen sind besonders brisant für den neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, der in den vergangenen Jahren als Premier und Finanzminister in Luxemburg fungierte.

Die Berichte gehen auf die Auswertung von rund 28.000 Seiten geheimer Dokumente durch das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zurück, in dem sich Medien aus 26 Ländern zusammengeschlossen haben, darunter die "Süddeutsche Zeitung", der NDR und der WDR in Deutschland sowie "Le Monde" in Paris, "The Guardian" in London und "Asahi Shimbun" in Japan. Nach Angaben des ICIJ waren an den sechsmonatigen Recherchen mehr als 80 Journalisten beteiligt.

Auch Firma aus Österreich dabei
Die Behörden Luxemburgs hätten demnach teils äußerst komplizierte Finanzstrukturen genehmigt, mit deren Hilfe manche Unternehmen auf Gewinne teilweise weniger als ein Prozent Steuern gezahlt hätten. Demnach half die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers insgesamt 340 Firmen zwischen 2002 und 2010, von Luxemburg die Zustimmung zu Konstrukten zu erhalten, um ihre Steuerlast zu drücken. Aus Österreich ist laut ICIJ-Homepage unter anderem das Unternehmen Signa Recap Management, Teil der Signa-Holding des Investors Rene Benko, dabei.

Den Berichten zufolge legten die Konzerne den luxemburgischen Behörden vorab ihre Steuerpläne vor. Demnach wurden diese in sogenannten rulings fast immer genehmigt. Der US-Steuerexperte Richard Pomp sagte dem ICIJ, Luxemburg habe eine "sehr nutzerfreundliche Steuerbehörde". Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb von teils "absurden Steuervermeidungskonstruktionen mit Steuersätzen von bisweilen weniger als einem Prozent", die den Nachbarn "gigantische" Verluste beschert hätten.

Laut den Ergebnissen des Rechercheverbands wurden etwa über Niederlassungen in Luxemburg firmeninterne Kredite vergeben, wodurch sich die Steuerlast in anderen Staaten dramatisch verringerte. Zudem seien Fondsgesellschaften gegründet worden, die so konstruiert waren, dass bei Immobilienprojekten in mehreren europäischen Ländern kaum Steuern anfielen. Viele der Firmen hätten jedoch nur eine marginale Präsenz in dem kleinen Großherzogtum unterhalten.

Regierungschef: "Halten uns an geltendes Recht"
Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel betonte am Donnerstagmorgen, die Steuerpraktiken seines Landes entsprächen den "internationalen Gesetzen". Die Regierung des Großherzogtums räumte aber zugleich ein "politisches Problem" ein. Laut dem Rechercheverband ermittelt die EU-Kommission in zwei Fällen zu einem möglichen Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht, weil den Konzernen unfaire Vorteile eingeräumt würden. Ein Kommissionssprecher sagte, sollte ein Verstoß bestätigt werden, müsse Luxemburg mit Strafen rechnen.

Juncker reagiert "gelassen und cool"
Der neue EU-Kommissionspräsident Juncker, der in den vergangenen Jahren als Ministerpräsident und Finanzminister in Luxemburg amtierte, reagierte nach Angaben eines Sprechers der Brüsseler Behörde "gelassen und cool" auf die Vorwürfe. Juncker selbst hatte zuvor bereits versichert, er werde sich in keiner Weise in die Ermittlungen der EU-Kommission einmischen. Die neue Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager müsse "große Handlungsfreiheit" haben und solle nicht gebremst werden.

Luxemburg seit Jahren wegen Steuerpolitik in der Kritik
Luxemburg steht seit Jahren wegen seiner Steuerpolitik in der Kritik. Das Großherzogtum ist durch seine extrem vorteilhaften Bedingungen für Konzerne nach den USA das zweitgrößte Investmentzentrum. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte am Donnerstag, es bestehe bei Luxemburg noch deutlicher Handlungsbedarf beim Vorgehen gegen Steuerhinterziehung.

"Da bleibt noch viel zu tun", sagte Schäuble. Luxemburg habe zwar mit 51 anderen Ländern in der vergangenen Woche das Abkommen zum automatischen Informationsaustausch über Bankkundendaten unterzeichnet, aber es gebe "nicht nur illegale Steuerhinterziehung, sondern auch die Ausnützung von legalen Gestaltungsmöglichkeiten, und das ist der nächste Schritt".

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