Anschlag in Ankara

Erdogan beklagt: “Terroristen laufen frei in EU herum”

Ausland
04.02.2013 19:11
Recep Tayyip Erdogan ist auch in Sachen Terrorismus nicht gut auf Europa zu sprechen. Der türkische Ministerpräsident warf der EU am Montag mangelnde Unterstützung beim Kampf gegen den Terrorismus vor. "Terroristen, die in der Türkei die blutigsten Morde begehen, reisen frei in Europa herum", sagte Erdogan in einer Rede in Prag (Bild). Er bezog sich mit seiner scharfen Kritik auf einen Anschlag am Freitag auf die US-Botschaft in der türkischen Hauptstadt Ankara. Der Selbstmordattentäter hatte zuvor jahrelang in Deutschland gelebt.

Die linksextreme Gruppe "Revolutionäre Volksbefreiungs-Front" (DHKP-C) hatte am Wochenende die Verantwortung für den Anschlag vom 1. Februar, bei dem der Attentäter und ein türkischer Wachmann ums Leben kamen (siehe Infobox), übernommen. Der Selbstmordattentäter Ecevit Alisan Sanli habe den Anschlag im Auftrag der von den USA, der EU und der Türkei als Terrororganisation eingestuften Gruppe ausgeführt, hieß es in einer Erklärung im Internet.

Das Brisante daran: Sanli war laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" 2001 nach Verbüßung einer Haftstrafe in der Türkei nach Deutschland gekommen. Er beantragte dort Asyl und tauchte nach Ablehnung seines Gesuchs ab. Der Anschlag könnte also von Deutschland aus geplant worden sein, so die Vermutung der türkischen Behörden.

Deutsche Behörden ermittelten seit 2011 gegen Attentäter
"Spiegel Online" berichtete am Montag, dass Sanli seit 2011 im Visier der deutschen Sicherheitsbehörden war. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe habe seit Frühjahr 2011 gegen der 40-Jährigen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ermittelt. Es habe demnach der Anfangsverdacht bestanden, dass sich der Türke in der Bundesrepublik als Mitglied in der DHKP-C engagiert habe. Den Angaben zufolge soll Sanli "auf Gebietsebene" an der Beschaffung von Finanzmitteln für die Organisation mitgewirkt haben. Allerdings habe die Bundesanwaltschaft seit Oktober 2012 keine Erkenntnisse mehr über Aufenthaltsort und Aktivitäten des Mannes gewinnen können, berichtete "Spiegel Online" weiter.

Erdogan warnt vor weiteren Anschlägen in Europa
Selbst wenn die Türkei die zuständigen Behörden über Verdächtige oder mögliche Terrorakte informiere, würden diese keine Aufmerksamkeit erhalten, kritisierte indessen Erdogan am Montag. Man erkläre vielmehr, dass man da schon selbst dran wäre. Der türkische Premier forderte in der Rede in Prag Deutschland und Frankreich auf, Mitglieder von in der Türkei verbotenen Gruppierungen auf Antrag dorthin auszuliefern. Die Europäische Union müsse sich von den terroristischen Organisationen distanzieren, so die klare Ansage Erdogans, der zugleich vor weiteren Anschlägen in Europa warnte.

"Können diese Gleichgültigkeit nicht länger hinnehmen"
Erdogan machte Deutschland aber nicht nur Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Anschlag in Ankara. Auch bei der Ermordung von drei Aktivistinnen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), darunter der Mitbegründerin Sakine Cansiz, am 10. Jänner in Paris (siehe Infobox) ortet er mangelnde Unterstützung auf deutscher Seite. "Cansiz war 2007 in Deutschland festgenommen worden. Obwohl ein Auslieferungsantrag der Türkei vorlag, wurde sie freigelassen", zitierten die Deutsch-Türkischen Nachrichten Erdogan auf ihrer Website. "Wir können diesen Leichtsinn und die Gleichgültigkeit nicht länger hinnehmen", betonte der türkische Regierungschef.

Verzögerung bei EU-Beitritt der Türkei "unverzeihlich"
"Unverzeihlich" nannte Erdogan es zugleich, dass sein Land seit über einem halben Jahrhundert auf den Beitritt zur Europäischen Union warten müsse. Dass die Beitrittsverhandlungen weiterhin schleppend verliefen, obwohl bereits fünf Millionen türkischer Staatsbürger in der EU lebten, bezeichnete er bei dem offiziellen Besuch in Prag als "Kränkung". Gleichzeitig erklärte er aber, dass die Kooperation und Solidarität mit den europäischen Ländern weiterlaufe, obwohl die Türkei als Mitgliedsland nicht akzeptiert werde.

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