Massenpanik

19 Tote bei der Loveparade in Duisburg

Ausland
25.07.2010 08:31
Eine Massenpanik bei der Loveparade am Samstag im deutschen Duisburg hat mindestens 19 Menschen das Leben gekostet. Diese Zahl nannte ein Polizeisprecher in der Nacht auf Sonntag. Außerdem seien 342 Verletzte gemeldet worden - wie schwer ihre Verletzungen waren, blieb zunächst unklar. Die Katastrophe ereignete sich in einem und rund um einen Tunnel, der auf das Festgelände führte.

Hunderttausende hatten sich am Samstag zu Mittag auf den Weg zum alten Duisburger Güterbahnhof gemacht. Sie wurden aus zwei Richtungen dorthin geleitet, die Menschenmassen trafen zwischen zwei mehrere hundert Meter langen Tunneln aufeinander, wo ein gepflasterter Weg zum Güterbahnhof hinaufführt. Nach Zeugenaussagen entstand dort eine unerträgliche Enge. Menschen versuchten, eine Mauer und eine Treppe hinaufzuklettern. Als einige von ihnen aus mehreren Metern Höhe in die Menschenmasse unter ihnen stürzten, brach nach Polizeiangaben Panik aus.

Gigantischer Rettungseinsatz
Feuerwehren und andere Rettungsdienste auch aus dem weiteren Umland starteten einen gigantischen Einsatz. Die am Partygelände vorbeiführende Autobahn 59, die aus Sicherheitsgründen ohnehin gesperrt war, wurde zum Anlaufpunkt für Rettungsfahrzeuge und Hubschrauber. In den Tunnels, in denen sich die Katastrophe abspielte, fuhren noch Stunden später Notarztwagen mit Blaulicht. Leichtverletzte Loveparade-Besucher wurden mit Bussen in Kliniken gefahren. Aus Sicherheitsgründen wurde die Loveparade nicht abgebrochen, um eine weitere Massenpanik zu verhindern. Später eintreffende Besucher wurden jedoch bereits am Hauptbahnhof aufgehalten.

Bis nach Mitternacht verließen Leichenwagen den Unglücksort. Die Polizei hatte das Gelände mit Zäunen und Sichtblenden weiträumig abgesperrt. In der Nacht kamen erste Trauernde zu dem Tunnel, um ihr Mitgefühl mit den Opfern zu bekunden. Einige zündeten Kerzen an.

Keine Hinweise auf betroffene Österreicher
Hinweise auf betroffene Österreicher gebe es derzeit nicht, sagte Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Abend. Die Botschaft in Berlin stehe in intensivem Kontakt mit dem Krisenstab. Bisher gebe es aber keine Anrufe von besorgten Angehörigen. Die bisher bekannten ausländischen Todesopfer stammen aus China, Australien, Italien und den Niederlanden. Die Polizei hat mittlerweile eine Telefonnummer geschaltet, unter der sich besorgte Angehörige informieren können. Diese lautet (aus Österreich): 0049/(0)203/94000.

"Es war zu voll, da war nichts zu machen"
Ein Augenzeuge berichtete dem TV-Sender n-tv über die Ereignisse im Tunnel: "Da lagen schon einige Menschen am Boden, andere kletterten die Wände hoch und versuchten, über die Seiten in das Gelände hinein zu kommen. Und die Menschenmenge, die nachrückte, die lief einfach über die am Boden liegenden drüber. Also eine richtige Massenpanik." Der erste Einsatz der Polizei sei aber an der großen Menschenmenge im Tunnel gescheitert: "Die Polizei hat versucht, hineinzugehen in die Menge und die am Boden liegenden Menschen herauszuziehen. Es war aber zu voll, die Polizei hat die Menschen nicht herausbekommen, es war nichts zu machen."

Auch seien zunächst keine Rettungskräfte an Ort und Stelle gewesen. Der Augenzeuge: "Hilfskräfte waren erstmal gar nicht vorhanden, vielleicht drei, vier vom Malteser Hilfsdienst. Die konnten aber in der Masse der Menschen auch nichts machen." Petra Vennebusch, die als Videoreporterin vor Ort war, sagte im WDR, die Leute seien aggressiv geworden und hätten versucht, sich Zugang zum Loveparade-Gelände zu verschaffen. "Da war Ärger im Spiel", sagte Vennebusch. "Viel Alkohol, viel Drogen." Die Polizisten seien teilweise überfordert gewesen.

Merkel geschockt
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich von der Tragödie in Duisburg geschockt und sagte: "Zum Feiern waren die jungen Menschen gekommen, stattdessen gibt es Tote und Verletzte." Der Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, kondolierte zum Tod so vieler Menschen. Nordrhein-Westfalens neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ließ sich in der Einsatzleitstelle der Polizei über die Entwicklung unterrichten. Sie äußerte sich "total betroffen" und sagte, sie fühle mit den Angehörigen der Gestorbenen und sorge sich um die Verletzten.

Am Sonntag wollen die Veranstalter und die Stadt auf einer schon vorher geplanten Pressekonferenz im Duisburger Rathaus über die Vorgänge berichten. Dabei dürfte die Frage im Vordergrund stehen, ob es richtig war, bei der Erwartung von mehr als einer Million Besuchern und einem Gelände für maximal 250.000 Menschen nur einen Zugang anzubieten, der wiederum nur durch Tunnels erreichbar war. Der Duisburger Bürgermeister Adolf Sauerland sagte bereits: Es "lag nicht am Sicherheitskonzept, das nicht gegriffen hat, sondern wahrscheinlich an individuellen Schwächen."

Loveparade-Erfinder gibt Veranstaltern die Schuld
Der Erfinder der Loveparade, Dr. Motte, gab den Veranstaltern die Schuld und sprach von einem "krassen Management-Fehler". "Wie kann man denn Menschen nur durch einen einzigen Zugang auf das Gelände lassen. Das ist ein Skandal", sagte der DJ dem "Berliner Kurier". Auch Augenzeugen erhoben schwere Vorwürfe. Der schmale Tunnel sei "das programmierte Chaos" gewesen, sagte ein Loveparade-Teilnehmer. Ein Raver berichtete, dass er sich eine halbe Stunde vor der Massenpanik mit seiner Freundin gerade noch aus dem Gedränge im Tunnel retten konnte und die Polizei alarmiert habe. Geschehen sei nichts.

Die Loveparade unter dem Motto "The Art Of Love" gilt als eine der wichtigsten und größten Veranstaltungen zur "Ruhr.2010" im Kulturhauptstadtjahr. Die Raver-Parade war 1989 in Berlin gegründet worden und ist 2007 in Ruhrgebiet gezogen. 2009 hatte die Stadt Bochum kein geeignetes Gelände gefunden. In Duisburg fand sie erstmals auf einem abgeschlossenem alten Bahngelände mit nur 15 Wagen, den sogenannten Floats, statt. Dabei musste lange um die Finanzierung gekämpft werden. Die hochverschuldete Stadt steht unter Haushaltsaufsicht und brauchte für ihre Ausgaben die Zustimmung des Landes. Im Sommer 2011 soll die Loveparade in Gelsenkirchen Station machen.

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