Israilov-Prozess

Zeuge beschreibt Ramsan Kadyrow als Psychopathen

Wien
23.11.2010 18:14
Der Sonderberichterstatter des Europarats, Dick Marty, hat am sechsten Tag des Wiener Israilov-Prozesses den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow in seiner Zeugenaussage als Psychopathen beschrieben. Der Staatschef lebe in Prunk und sei insgesamt eine "seltsame Persönlichkeit", so Marty am Dienstag. Kadyrow zeige überhaupt kein Mitgefühl und erinnere "an gewisse römische Kaiser".

Der Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Menschenrechtslage in der nordkaukasischen Region hatte Ende März 2010 bei einem Besuch der Republiken Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan Kadyrow persönlich kennengelernt.

"Eine seltsame Persönlichkeit"
"Er lebt in einem Palast, wo schon beim Eingang goldene Löwen stehen. Er hat einen Privatzoo mit einem Tiger, der auf der roten Liste des WWF steht. Er ist eine sehr seltsame Persönlichkeit. Er benimmt sich sehr komisch, auch beim Essen am Tisch. Er lächelt immer, zeigt aber überhaupt kein Mitgefühl", gab Marty zu Protokoll. Als er Kadyrow um eine Stellungnahme zum Vorwurf bat, dass der Präsident teilweise persönlich Folterungen vornehme, habe Kadyrow nur gelächelt und gesagt: "Allah sorgt dafür, dass diese Verräter ein verdientes Ende finden." Ihm sei es dabei "kalt über den Rücken gelaufen", so Marty.

Oppositionelle oder Menschenrechtsgruppen wie "Memorial" nehme Kadyrow nicht ernst: "Er hat überhaupt keine Achtung. Er betitelt die als Komplizen von Verrätern." Tschetschenen, die aus politischen oder sozialen Gründen ins Ausland flüchten, betrachte Kadyrow ebenfalls als "Verräter, die eigentlich mit ihm zusammenarbeiten sollten". Marty berichtete von Tschetschenen in Westeuropa, die Anrufe aus ihrer alten Heimat erhalten hätten und zur Rückkehr aufgefordert wurden: "Man hat sie zuerst eher freundlich eingeladen, doch zurückzukehren. Dann wurden sie verspottet, sie seien keine Männer. Zuletzt hat man sie bedroht."

Betagte Mutter von Asylanten als Geisel genommen
Konkret erwähnte Marty den Fall eines Tschetschenen, dessen betagte Mutter als Geisel genommen wurde, um ihn damit zur Heimkehr zu bewegen: "Der Sohn ist zurückgekommen und dann ermordet worden." Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe in mittlerweile 160 Fällen eine Missachtung des Rechts auf Leben und des Folterverbots in Tschetschenien festgestellt, betonte Marty. Wer gegen Kadyrow auftrete, "riskiert jeden Tag sein Leben", sagte Marty. Es wären "mehrere Fälle, wo Polizeileute systematisch foltern" dokumentiert. Die Leichen fänden sich anschließend "in einem Busch", verbunden mit der Begründung, der Betreffende wäre "in einem Feuergefecht umgekommen".

In Tschetschenien herrsche "systematische Straflosigkeit". Demokratie, Gewaltentrennung und Menschenrechte wären "Fremdwörter". Kadyrow sei infolge seiner Unberechenbarkeit mittlerweile "ein Problem für Russland geworden", doch der russische Präsident Dmitri Medwedew sei "nicht mehr stark genug, Kadyrow zu ersetzen" bemerkte Marty. Kadyrow war von Medwedews Vorgänger Vladmir Putin eingesetzt worden.

Zeuge: Israilov erhielt Anruf von Kadyrow persönlich
Dem sachverständigen Zeugen erschien es vorstellbar, dass Umar Israilov den Unmut bzw. Hass Kadyrows auf sich zog, indem er gegen diesen ein Verfahren vor dem EGMR initiierte. Marty berichtete von einem Gespräch mit einem Zeugen, "dessen Namen ich auf keinen Fall preisgeben kann, weil das bedeuten würde, dass er sofort in Gefahr ist". Dieser habe ihm erzählt, dass der nach Österreich geflüchtete Israilov eines Tages von Kadyrow persönlich angerufen wurde. Der Präsident habe Israilov mitgeteilt, dass er dessen Vater und andere Verwandte als Geiseln genommen hätte und diese nur freikämen, wenn er, Israilov, heimkehre.

Israilov soll laut Marty daraufhin Kadyrow wörtlich beschieden haben: "Wenn irgendwas meinen Lieben passiert, wirst du nirgendwo auf der Welt sicher sein."

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