"Richtung Austritt"

GB: Camerons nicht gehaltene EU-Rede an Medien verteilt

Ausland
18.01.2013 14:30
Der Downing Street in London ist vor der neuerlichen Absage der europapolitischen Grundsatzrede von Premier David Cameron eine schwere Kommunikationspanne unterlaufen. Die Spin-Doktoren hatten das Manuskript bereits unter der Hand an eine Auswahl von britischen Journalisten verteilt, ehe die Nachricht von der Absage des bereits seit Monaten immer wieder verschobenen Auftritts kam. Mehrere Zeitungen zitierten nun am Freitag aus der Rede, die Cameron nach wie vor nicht gehalten hat.

In dem Papier kommt der Regierungschef nach Darstellung britischer Medien zu dem Schluss, dass "die Kluft zwischen der EU und ihren Bürgern dramatisch gewachsen" ist. "Der Mangel an demokratischer Verantwortlichkeit wird besonders akut in Großbritannien gespürt", zitierte die BBC aus dem Manuskript.

"Wenn wir diese Herausforderungen nicht angehen, dann besteht die Gefahr, dass Europa scheitern wird und sich die Briten Richtung Austritt bewegen." Dies wolle er jedoch nicht, heißt es in dem Entwurf Camerons. Im Gegenteil: Er wolle, dass die EU "erfolgreich" sei.

Britische Bürger "sehr frustriert"
Die Probleme der Union seien laut dem Premier die Euro-Schuldenkrise, die schwächelnde Wettbewerbsfähigkeit und die schwindende öffentliche Unterstützung. Vor allem die britischen Bürger seien "sehr frustriert", dass die Entscheidungen immer weiter weg von ihnen getroffen würden.

Im Vorfeld hatte Cameron mehrfach auf das Ziel Großbritanniens hingewiesen, Zuständigkeiten aus Brüssel nach London zurückzuholen. Damit kommt er Forderungen vom rechten Flügel seiner Partei entgegen. Diesem geht es vor allem um die Finanzmarktregulierung, wodurch er Gefahren für die Londoner City sieht, sowie um Regulierungen beim Arbeits- und Sozialrecht und in der Fischerei.

Schweigen zu möglichem Referendum
Zu einem möglichen Referendum über den Verbleib seines Landes in der 27-Länder-Union äußerte sich der Regierungschef demnach in seiner Rede nicht. Europakritische Mitglieder von Camerons Konservativer Partei hatten zuletzt immer wieder auf Umfragen verwiesen, wonach eine knappe Mehrheit der Briten die EU gerne verlassen würde.

Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, sprach sich am Freitag nach Bekanntwerden der Passagen aus Camerons geplanter Rede gegen ein "Rosinenpicken" einzelner EU-Staaten aus. Er wolle, dass Großbritannien in der EU bleibe, und werde mit London auch die Debatte über einzelne Fragen führen. Es dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, dass einzelne Staaten in der EU "ihr eigenes nationales Ding" machten, so Juncker.

Weiter Rätseln über Ersatztermin
Camerons Sprecher hatte am Donnerstagabend erklärt, der Regierungschef würde seine für Freitag geplant gewesene Rede über das Verhältnis seines Landes zur Union doch nicht halten, da er sich um die Lage bei dem Geiseldrama in Algerien kümmern müsse. Unter den Festgehaltenen auf einem Gasfeld in der Sahara sind auch britische Staatsbürger.

Unklar ist nun, wann Cameron einen Ersatztermin für die Rede verkündet. Weiters ist nach der Panne mit dem Manuskript völlig offen, ob er bei einem etwaigen Auftritt vor der Presse ähnliche Worte wählen wird wie die am Freitag publik gewordenen.

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