So ein Dreck!

Husky, Gatsch und Wolkenbruch: Enduro für alle

Motor
17.03.2014 18:08
Natürlich bin ich der Erste. Allerdings leider nicht der Erste im Ziel, sondern der Erste in der Gruppe, der im Dreck liegt. "Wer nicht stürzt, ist nicht gefahren", sagt Harry, mein Trainer bei Joe Lechners Terra-X-Dream-Endurotraining. Und wie mir scheint, fühlt sich meine Husqvarna FE350 mit abgebrochenem Bremshebel erst so richtig wohl. Auch später im strömenden Regen…
(Bild: kmm)

Kein Wunder, sie ist ja auch kein Moped zum Spazierenfahren und Blumenpflücken, sondern ein ernsthaftes Wettkampfbike zum Enduroheizen und Dreckfressen. Sie wird sich schön gelangweilt haben am Vormittag, während ich auf ihr im Schweiße meines Angesichts und des ganzen Körpers Gleichgewichtsübungen gemacht habe.

Hat aber lammfromm alles mitgemacht. Mit einem Bein am Fußraster stehen, das andere hängt daneben runter, dann auf der anderen Seite, einhändig im Stehen so langsam wie möglich, alles leicht bergauf und bergab auf langen Runden oder auch mal auf einem eng gesteckten Parcours. Dann im "Vorbeistehen" mit dem Fuß Hütchen aufstellen oder umwerfen. Schaut kinderleicht aus, aber wenn man gerade erst gelernt hat, wie man richtig im Stehen fährt, bettelt man um Balance.

Merke: Endurofahren ist nicht unbedingt weniger anstrengend als mountainbiken, nur weil man 45 PS zwischen den Beinen hat, wie im Fall meiner Husky. Der Hersteller ist übrigens stolz drauf, dass man jedes einzelne Bike praktisch aus dem Laden heraus wettkampfmäßig fordern kann, "ready to race" sagt Pressemann Johannes Ketter. Auch meine FE350 ist fast serienmäßig. Ausnahmen: Der Motorschutz ist aus Alu statt Plastik (130 Euro), dazu hat sie einen Kühlerschutz (100 Euro, also deutlich billiger als ein neuer Kühler) und geschlossene Handguards (56 Euro). Braucht man alles nicht fürs Gleichgewichtüben, aber sehr wohl fürs echte Endurofahren.

"Wie ein Mann, nicht wie ein Hendl"
Bevor mich die Kräfte verlassen, gibt es eine Pause – und dann geht es endlich ab ins Gelände. "Immer auf das achten, was ich euch gesagt habe: Denkt an die Grundposition", mahnt Harry und meint Hintern über den Fußrasten, Knie nicht gestreckt, Gesicht über dem Tacho, die Ellbogen weg vom Körper ("wie ein Mann, nicht wie ein Hendl" nennt Harry das). Mindestens zweiter Gang ("der erste ist nur fürs Anfahren, wenn's steil ist), damit die Fahrerei weicher und runder wird. Es ist wirklich hilfreich, dass der 349,7-cm³-Einzylinder-Motor das Gas so smooth annimmt und die Leistung so gut zu dosieren ist. An ihr liegt's nicht, dass sich unsere Wege nach dem ersten steilen Bergaufstück kurzzeitig trennen – ich hatte einfach zu viel Gewicht hinten. Gut, dafür ist die FE350 jetzt ein paar Gramm leichter mit ihrem abgebrochenen Bremsgriff. Macht nichts, mehr als zwei Finger sollen eh nicht dran ziehen, und dafür ist locker noch Platz.

Endurotaufe mit literweise Weihwasser – pro Quadratmeter
Diesen Gewichtsvorteil gleiche ich anschließend bei der Mittagspause aus – nicht durch ein üppiges Mahl, sondern weil es in Strömen zu schütten beginnt und sich das G'wand vollsaugt wie ein Schwamm. Erstaunlich: Sobald ich wieder über dem Sattel stehe, fällt mir weder auf, dass ich tropfnass bin, noch, dass es nur noch 5 Grad hat, es also saukalt ist. Wer hat da gesagt, dass man sich eine trockene Badehose anziehen muss, wenn man im Sommerurlaub bei 30 Grad im Schatten aus dem Meer kommt? Sehen wir es spirituell: Der Himmel besprengt mich mit Weihwasser zu meiner Endurotaufe.

So ein Dreck!
Das heilige Wasser macht es nicht einfacher, der Boden wird gatschig, die Felsen im Granitsteinbruch zu Schrems glitschig, der Nachmittag zur Schlammschlacht. Aber es geht besser als erwartet. Schön langsam kann man es tatsächlich als Endurofahren bezeichnen, was ich hier aufführe. Wenn da nicht mein persönlicher Watzmann, mein persönlicher Schicksalsberg wäre: eine lange, relativ steile, sandig-gatschige Auffahrt, die in mir ihren Meister sucht – und doch nur einen Lehrling findet. Im ersten Versuch komme ich bis zur Hälfte, im zweiten würge ich an der Kuppe den Motor ab und rolle und rutsche und rutsche und rutsche. Zu Fuß erreiche ich meine oben liegen gebliebene Husky nicht mehr in dem knietiefen Dreck. Ja, so ein Dreck! Einerseits tatsächlich, andererseits weil ich nicht und nicht raufkomme! Ich war wieder zu weit hinten, habe mich zu wenig vorne gehalten, sodass meine Arme immer länger wurden und ich nicht mehr am Kupplungshebel ziehen konnte. Kurz vom Gas, die Drehzahl weg – und an der Kuppe geht einfach der Motor aus.

Für einen weiteren Versuch fehlt mir inzwischen die Kraft, dadurch die Koordination und die Sicherheit. Wann man Schluss machen sollte, muss jeder für sich selbst wissen. Ein anderer Teilnehmer überschätzt sich wenig später und überschlägt sich bei einer Bergabfahrt. Dank obligatorischer Protektoren wird er nur ein paar blaue Flecken davontragen; wie es seinem Moped geht, sieht man unter der Dreckschicht nicht so genau. Aber es fährt noch gut. Auch eine Husky.

Endurofahren für jeden
Wer auch so eine Herausforderung braucht oder sich einfach auf zwei Rädern austoben will, der ist hier beim "Granitbeißer-Training" jedenfalls goldrichtig. "Zu mir kommen alle, vom Arbeiter bis zum Vorstandsvorsitzenden", sagt Terra-X-Dreams-Chef Joe Lechner. Auch vom Alter her ist alles dabei, aber "die meisten sind über 40", also so wie ich. 140 Euro kostet so ein Tagestraining, um 129 gibt's auch noch ein Leihmotorrad inklusive Sprit und um 30 Euro das Gwandl samt Protektoren. Für alle ist gesorgt, vom Anfänger bis zum ambitionierten Enduristen, der Rennen fährt bis hin zum Erzbergrodeo.

Ich habe jedenfalls eine Menge gelernt, weiß, was ich bei meinen Stürzen falsche gemacht habe und ich habe ein Ziel: Wenn ich wieder bei Kräften bin, komme ich wieder und bezwinge "meinen" Berg!

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(Bild: kmm)



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