Zum Jahreswechsel war unsere Welt noch in Ordnung, es gab nicht die geringsten Hinweise auf eine bevorstehende Katastrophe. Astrologen und andere Wichtigtuer konnten uns nicht warnen, bis auf ein paar Naivlinge hätte ihnen ohnehin niemand geglaubt. Niemand konnte sich vorstellen, dass wir so schnell in so eine schwierige Lage kommen. Wir dürfen unsere Angehörigen in den Spitälern nicht mehr besuchen, nicht zu Begräbnissen und Trauerfeiern, Hochzeiten und Taufen werden verschoben. Wir können nicht zum Friseur, zur Fußpflege oder in die Sauna. Weil auch die Gärtnereien geschlossen sind, können wir zu den Osterfeiertagen nicht einmal die Gräber schmücken. Sämtliche Sportveranstaltungen wurden abgesagt, Cafés und Restaurants sind ebenfalls zu. In eine Autowerkstatt dürfen wir nur im Notfall, ein normaler Reifenwechsel ist nicht erlaubt. Ausflüge oder längere Wanderungen können wir vergessen, und an eine Urlaubsreise im Sommer denkt bis auf Weiteres ohnehin niemand. Unzählige Menschen haben Existenzangst und verbringen schlaflose Nächte. Unsere Häuser dürfen wir bald nur noch mit Schutzmaske verlassen, eigentlich sollten wir überhaupt zu Hause bleiben. Hätte uns einer am Anfang des Jahres so einen Horror vorausgesagt, wir hätten ihm wohl einen guten Psychiater empfohlen.
Werner Schupfer, Attnang-P.
Erschienen am So, 5.4.2020
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