Arbeit abgebrochen

Staatsreform offenbar vor dem Scheitern

Österreich
29.02.2008 12:08
Die von Kanzler Alfred Gusenbauer als "Herzstück" der Regierungsarbeit bezeichnete Staatsreform steht offenbar vor dem Scheitern. Die von der Koalition eingesetzte Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit abgebrochen. "Die Staatsreform-Gruppe sehe ich als beendet an", sagte ÖVP-Chefverhandler Andreas Khol. Als Grund nennt er die Untätigkeit von Kanzler Alfred Gusenbauer, der das schon im Dezember abgelieferte zweite Paket mit Reformvorschlägen bisher nicht einmal in Begutachtung geschickt hat. Die Arbeitsgruppe zur Staatsreform sei "ganz und gar nicht aufgelöst", betont hingegen der Vorsitzende der Expertengruppe, der Leiter des Verfassungsdienstes Georg Lienbacher.

"Wir haben am 18. Dezember einen Bericht abgeliefert mit weitreichenden Vorschlägen und der Bundeskanzler hat nicht einmal den Eingang bestätigt", kritisiert Khol. Der Kanzler habe nicht gesagt, was mit den Reformvorschlägen geschehen soll, sie nicht in Begutachtung geschickt und auch nicht zu Gesprächen darüber eingeladen. "Wir schließen daraus, dass das Interesse des Bundeskanzlers nicht gegeben ist und daher ist das zu Ende", sagte Khol.

Den eigentlich noch geplanten Vorschlag über einen neuen Grundrechtekatalog wird man laut Khol nun nicht mehr vorlegen. "Wir wären auch in der Lage, das dritte Paket zu machen, aber wir haben den Eindruck, dass dem keine Bedeutung beigemessen wird", sagt Khol.

Außerdem sei die Arbeitsgruppe verärgert darüber, dass die im ersten Reformpaket vorgesehenen Landesverwaltungsgerichte durch den Asylgerichtshof ersetzt wurden, betont Khol: "Ein Asylgericht mit Ausschluss des Weges zum Verwaltungsgerichtshof haben wir nicht vorgeschlagen, wir haben uns strikt dagegen ausgesprochen."

Zukunft laut Khol ungewiss
Wie es nun mit dem angeblichen "Herzstück" der Regierungsarbeit weiter gehen solle, müsse man "die zuständigen Stellen fragen". "Für uns ist es das. Es sei denn, der Bundeskanzler lädt uns zu einem Gespräch ein und sagt, er hat so viel Arbeit gehabt, seine neue Strategie auszuarbeiten, dass er nicht in dieses Papier hineinschauen konnte." Die für Freitag vorgesehene Sitzung wurde daher abgesagt. Einen neuen Termin gebe es nicht, so Khol.

Lienbacher: Nächster Termin "auf jeden Fall im März"
Ganz anders sieht das hingegen Georg Lienbacher, Vorsitzende der Expertengruppe: Der Termin am Freitag sei deshalb abgesagt worden, weil entsprechende Papiere betreffend die Grundrechte noch in Ausarbeitung seien. Was der strittigste Punkt sei, dazu wollte Lienbacher nicht Stellung nehmen. "Wir beraten hinter verschlossenen Türen". Ob die weitere Arbeit durch den Koalitionsstreit gelähmt ist, verneint Lienbacher: "Nein. Wir versuchen nach wie vor, Lösungen zustande zu bringen".

Kritik an "rot-schwarzer Bonzokratie"
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl kritisierte unterdessen die "rot-schwarze Bonzokratie. Wenn die ÖVP jetzt der SPÖ vorwirft, auf der Bremse zu stehen, so ist diese Kritik nicht wirklich ernst zu nehmen". Es sei ja kein Zufall, dass tiefgreifende Reformschritte "bis zum Sankt Nimmerleinstag aufgeschoben" werden.

Keine der beiden Parteien habe ein Interesse daran, in die Struktur zu gehen. Als Beispiel für die "augenfällige Reformverweigerung" nennt Kickl die Krankenkassen. "Hier fordert die FPÖ seit Jahren Zusammenlegungen, um die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken. Das wird aber weder von Rot noch Schwarz angestrebt, weil ja beide ihre Versorgungspfründe sichern wollen".

BZÖ bedauert vergebliche Bemühungen
BZÖ-Verfassungssprecher Herbert Scheibner sieht angesichts der Debatte um die Arbeitsgruppe zur Staatsreform ein "fortgesetztes Chaos in der Großen Koalition". Es sei bedauerlich, dass 19 Monate konstruktive Arbeit im Verfassungskonvent aus parteipolitischen Gründen umsonst seien. Das von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer angekündigte "Herzstück der Regierungsarbeit" Staatsreform scheine nun langsam endgültig zu scheitern.

Damit blieben auch wichtige Materien, wie etwa der Grundrechtekatalog, eine Neuordnung der Kompetenzen, die Demokratiereform oder die Reform des öffentlichen Dienstes auf der Strecke. Eine Große Koalition, die normalerweise antrete, um große Probleme mit einer breiten Mehrheit zu lösen, "finalisiert in dieser Legislaturperiode nur ein einziges großes Problem, nämlich sie löst sich langsam selbst auf", sagte Scheibner.

"Regierung hat Arbeit überall eingestellt"
Die stellvertretende Grüne Klubchefin Eva Glawischnig warf der Regierung hingegen vor, "die Arbeit in allen Bereichen eingestellt" zu haben, aktuellstes Beispiel sei die Verfassungsreform. "Eine Staatsreform mit einer neuen Kompetenzverteilung wird es mit Sicherheit nicht mehr geben. Dabei war die Staatsreform eine der Begründungen für die Große Koalition", so Glawischnig.

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