Juniper – zu Deutsch: Wacholder – kennen die meisten als Grundstoff von Gin und damit aus dem Gin Tonic. Neuerdings heißt so aber auch die neue Version von Teslas Model Y, das sofort durch die spacige Optik auffällt. Doch es steckt mehr dahinter, wie Stephan Schätzl hier im Video-Fahrbericht herausgefunden hat.
Es ist schon seltsam. Elon Musk liefert reihenweise Gründe, ihn und seine Firma zu boykottieren, während seine Autos immer mehr Gründe liefern, sie zu kaufen. Das überarbeitete Model Y, intern als Juniper bezeichnet, hat sich so sehr zum Positiven verändert, dass es auch Leute überzeugen könnte, die bisher einen weiten Bogen um Fahrzeuge mit dem stilisierten T gemacht haben.
Und das liegt nicht daran, dass Musk dieses T weggelassen hat und das Model Y nun ohne Markenlogo auskommen muss. Gut so, denn die neue Front ist so spacig-stylisch und glatt, dass das Logo nur ablenken würde. Ein durchgehendes Tagfahrlichtband spannt sich von Seite zu Seite und erweckt den Eindruck, es gäbe keine richtigen Scheinwerfer. Doch, gibt es, unterhalb, unauffällig, unscheinbar.
Am Heck steht TESLA in Lettern, in Szene gesetzt durch indirektes rotes Licht von einem versteckt angebrachten Leuchtband. Das wirkt bei Weitem eleganter als die roten Lichtleisten, die bei gefühlt jedem zweiten Neuwagen das Heck vereinheitlichen.
Also, es ist schon mal die Optik, die das Model Y so besonders macht, speziell nachdem das Design bisher alles war, nur kein Grund, eines zu kaufen.
Auch im Innenraum vieles verbessert
Dezente Beleuchtung ziert nun auch den Innenraum in Form von umlaufendem Ambientelicht. Die Materialien sind neu – und vor allem auch die Sitze, welche serienmäßig nicht nur beheizt, sondern jetzt auch belüftet sind.
Der Kofferraum fasst mit aufgestellten Rücksitzlehnen fast einen Kubikmeter, ein Teil davon in einem Fach unter dem Boden, das in etwa so groß ist wie der Frunk. Das Umklappen der Lehnen ist jetzt eine echte Schau: Das passiert auf Knopfdruck elektrisch, natürlich geteilt, und ergibt einen Laderaum von 2130 Liter Volumen. Auch aufgestellt werden sie elektrisch.
Werden Personen statt Ladung mitgenommen, können die sich über das neue 8-Zoll-Display in der zweiten Reihe freuen, über das alles vom Entertainmentsystem bis zur Belüftungsrichtung bedient werden kann.
Die Sache mit der Bedienung
Die Bedienung hat sich nicht grundlegend geändert, ein 15,4-Zoll-Touchscreen prangt in der Mitte eines knopf- und schalterlosen Cockpits, das meiste findet man über eine Liste (früher oder später jedenfalls). Die Hauptmenütasten sind zu klein, die App-Übersicht ist eher eine -Unübersicht, vor allem wegen der winzigen Symbole, aber man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles. Oder nicht?
Eine Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet: Die unpraktischen Lenkradtasten für den Blinker bleiben dem Model 3 vorbehalten. Die Bedienlogik wurde aber übernommen. Heißt: Es gibt zwar einen Blinkerhebel (einen sehr schönen sogar), der ist aber tatsächlich nur fürs Betätigen des Blinkers zuständig. Für die Lichthupe gibt es eine Taste am Lenkrad. Das Fernlicht wird automatisch aktiviert oder über das Display.
Das Gleiche gilt für den Scheibenwischer. Eine Lenkradtaste aktiviert ein kurzes Wischen oder die Wisch-Wasch-Funktion, den Rest soll der Regensensor erledigen. Problem: Im Testwagen war der wohl gerade auf Urlaub und bequemte sich nur selten dazu, sich um die vollgeregnete Scheibe zu kümmern. Wenn man den Wischer dauerhaft einschalten möchte, braucht man wiederum das Display. Man kann es nicht oft genug sagen: Es gibt keine bessere Bedienlösung als einen Lenkstockhebel. Punkt.
Über den „Autopiloten“ lasse ich mich hier nicht aus, dazu bitte das Video anschauen.
Vergleichsweise phänomenales Fahrgefühl
Die größte Veränderung gab es beim Fahrverhalten bzw. beim Fahrgefühl. Ein Vorher-nachher-Unterschied wie zwischen Tag und Nacht, vielleicht sogar noch auffälliger als die neue Optik. Das Fahrwerk wurde komplett überarbeitet, die Dämpfer (aus dem Model 3, aber noch geschmeidiger) arbeiten frequenzabhängig. Die Folge: Das Model Y fährt so angenehm – auch auf holprigen Straßen – wie man das bisher nicht für möglich gehalten hätte. Der Wagen liegt gut, läuft gut und – ja! – lenkt gut. Die Lenkung, bisher nervös und gefühllos, strengt nicht mehr an, sondern vermittelt ein Gefühl für die Situation.
Zu dieser neuen (Fahr-)Erlebniswelt passt die verbesserte Geräuschdämmung. Es geht leise zu im Model Y. Der Komforteindruck hat sich grundlegend gebessert. Da ist es umso besser, wenn man die Long-Range-Version mit zwei Motoren fährt, denn die hat serienmäßig das Top-Soundsystem mit 15 Lautsprechern und Subwoofer. Die könnte zwar auch jeden Lärm übertönen, doch vor allem die feinen Klänge sind ein Genuss auf langen Strecken.
Krachen lassen kann man es auch mit dem Antrieb, wenn auch relativ leise (wenn nicht gerade die Reifen quietschen, was bei aller Power gar nicht so oft vorkommt), denn mit mehr als 500 PS geht die Fuhre unfassbar vorwärts. Unfassbar deshalb, weil es eben so unauffällig passiert. 4,8 Sekunden dauert der Standardsprint, bei 201 km/h ist leider schon Schluss mit Beschleunigung.
Von wegen Long Range
Der Long-Range-Allradler verspricht eine WLTP-Reichweite von 586 Kilometer. Das ist jedoch trotz serienmäßiger Wärmepumpe und von 0,23 auf 0,22 verbesserten cW-Wert graue Theorie, wenn man nicht supersparsam und langsam fährt. Im Test stand am Ende ein Verbrauch von 23 kWh/100 Kilometer am Display, allerdings mit einem Deutschland-Anteil. Bei 75 kWh Akkugröße macht das nicht viel mehr als 300 Kilometer Reichweite von 100 bis 0 Prozent, als praktisch 210 bis 250 Kilometer auf der Langstrecke (bei Temperaturen rund um 10 Grad plus).
Der Wagen ist also durchaus sparsam, schließlich handelt es sich um einen 2015 kg schweren Elektro-Allradler, aber der Akku ist schlichtweg zu klein.
Die Route kann man sich übers Navi legen lassen, das allerdings nur die hauseigenen Supercharger berücksichtigt.
Die Preise
Auch wenn sich die Preise bei Tesla bekanntlich schnell deutlich ändern können, hier ein kurzer Blick in die virtuelle Preisliste: Die Version mit 500 km Reichweite und Hinterradantrieb ist ab 42.590 Euro zu haben, der Hecktriebler mit dem großen Akku und 622 km Reichweite kommt auf mindestens 47.590 Euro. Weitere 3000 Euro muss man drauflegen, wenn man (wie hier im Testwagen) den zusätzlichen Frontmotor haben möchte. Alles Basispreise, zuzüglich Extras. Allein der Lack des Testwagens kostet 2600 Euro Aufpreis.
Fahrzit
Ja, ein Tesla wäre kein Tesla ohne diverse Schrullen. Aber das Model Y hat uns mit feinem Fahrverhalten und hohem Reisekomfort richtig überrascht. So positiv war bisher der Gesamteindruck von noch keinem Tesla.
Warum?
Sehr eigenständige, deutlich verbesserte Optik
Souveränes Fahrverhalten
Guter Komforteindruck
Warum nicht?
Schrullen in der Bedienung
Oder vielleicht …
… VW ID.4, Ford Mustang Mach-E, BMW iX3, Polestar 4
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