VW Passat und Skoda Superb fahren längst in Preisregionen, die für breite Teile der Bevölkerung nicht so leicht zu erreichen sind – quasi eine Steilvorlage für chinesische Konkurrenten. Wie z.B. für den BYD Seal 6 DM-i Touring, der viel Platz für kleineres Geld bietet. Schnäppchen oder fauler Kompromiss? Die Antwort hier im Video-Fahrbericht!
Das Auto an sich ist einfacher als sein Name: ein Kombi mit Plug-in-Hybrid-Antrieb, mit 4,84 Meter knapp kürzer als die genannten Vertreter aus dem VW-Konzern. DM steht für Dual Mode, was den Hybridantrieb meint, der den Verbrenner und den E-Motor je nach Anforderung seriell oder parallel arbeiten lässt. Das „i“ steht für irgendwas mit Strom oder intelligent oder - egal.
Für Verwirrung kann noch der Name Seal sorgen, weil der Kombi mit dem längst bekannten, relativ schnittigen BYD Seal recht wenig zu tun hat. Aber wir wollen uns nicht über Bezeichnungen mokieren. Oder über schrullige Pressetexte, deren Verfasser u.a. nicht zwischen Stoßdämpfer und Stoßfänger unterscheiden können. Denn viel wichtiger ist, dass das Auto was kann. Und es kann was.
Was der BYD Seal 6 Touring wirklich kann
Der Innenraum wirkt hochwertig, von der Materialauswahl sollte sich manch teurer Europäer inspirieren lassen. Ja, es geht auch ohne dieses unsägliche Klavierlack-Plastik. Und man kann Hartplastik auch so einsetzen, dass es nicht im Widerspruch zur Preisgestaltung steht, sondern ganz im Gegenteil einen Klassenaufstieg vermuten lässt.
Auch beim Platzangebot spielt der Seal 6 bei den Großen mit. Auf der Rückbank geht es opulent zu (Radstand: 2,79 Meter), der Kofferraum fasst 500 Liter und lässt sich per Fernentriegelung auf 1535 Liter erweitern.
Auf der anderen Seite sind Menüführung und allgemeine Anmutung im Navitainment dann eher so, dass man sich als gelernter Europäer im Chinesen nicht so ganz zu Hause fühlt. Dass das System immer wieder die Apple-CarPlay-Verbindung verliert oder gleich gar nicht erst aufbaut, trägt auch nicht dazu bei, dass man dauerhaft mit dem Wagen warm wird.
Assistenten serienmäßig, hurra! – Oder doch nicht?
‘Die in Vielzahl serienmäßig vorhandenen Assistenzsysteme will man einfach nur noch abschalten. Man weiß teilweise eh nicht, warum gerade wieder etwas piepst. Die Kamera des Aufmerksamkeitsassistenten klebt man am besten gleich ab. Das ist besser für die Gemütslage von Fahrer und Insassen sowie in weiterer Folge für andere Verkehrsteilnehmer in Reichweite. Man fährt einfach ruhiger und konzentrierter, wenn das Auto nicht nervt, weil man kurz auf das Zentraldisplay geschaut hat.
Schwierig: Geradeaus fahren und bremsen
Wirklich lange ablenken lassen sollte man sich tatsächlich nicht, denn man muss mehr als üblich darauf achten, die Spur zu halten, weil der Seal 6 Touring das von sich aus nicht so gern macht. Geradeauslauf ist nicht seine Stärke. So, als ob die Räder zu wenig Nachlauf hätten. Da mag man gerne öfter mal den Spurführungstempomaten aktivieren, der ist aber tempomäßig stark limitiert und schaltet sich zudem ab, wenn man die Spur wechselt. Jedenfalls ist sein On-off-Verhalten nicht wirklich nachvollziehbar. Die leichtgängige, gefühllose Lenkung trägt auch nicht wirklich zu einer entspannten Fahrt bei.
Ebenso wenig die Bremse. Die sorgt vielmehr dafür, dass man sich bei seinen Mitfahrern gleich mal unbeliebt macht, sobald man an der ersten Einmündung stehen bleiben will: Sie ist so schlecht, unnachvollziehbar und unterschiedlich dosierbar, dass sie schon bei leichter Berührung eine Vollbremsung auszulösen vermag. Auch auf der weiteren Fahrt lässt ihre Dosierbarkeit zu wünschen übrig. Das Überblenden zwischen Rekuperation und Scheibenbremsen funktioniert einfach nicht gut.
Gut abgestimmter Antrieb
Viel besser funktioniert das Zusammenspiel zwischen dem 1,5-Liter-Vierzylinder mit 98 PS und dem 197 PS starken Elektromotor, der die Hauptarbeit verrichtet. Die Systemleistung liegt bei 212 PS, also nur ganz knapp über der des E-Motors. In den allermeisten Fahrzuständen werden die Vorderräder über das CVT-Getriebe rein elektrisch angetrieben, der Seal 6 spricht praktisch generell so direkt an wie ein E-Auto. Der Verbrenner ist dennoch meistens zu hören, oft sogar deutlich, obwohl er nur bei höherem Kraftbedarf – etwa bergauf – zu den Rädern durchgeschaltet wird. So weit, so reibungslos.
Bei gemächlicher Fahrt wirkt das alles sehr geschmeidig, harmonisch und ruhig. Bei schnellerer Fahrt drängt sich der Benziner akustisch und mit Vibrationen in den Vordergrund, dazu kommen Windgeräusche und das Fahrwerk verliert auf nicht brettlebenem Asphalt auch etwas die Contenance – siehe Knoten Vösendorf auf der A23/A2.

Immerhin fährt sich das Auto einigermaßen spritzig. 8,5 Sekunden dauert der Standardsprint, was sich wegen dem spontanen Antritt noch zackiger anfühlt. Auf jeden Fall reicht es, die Winterreifen der chinesischen Marke Sailun auf Nässe permanent zu überfordern. Maximal läuft der BYD 180 km/h.
Fahrwerk mit Mehrlenkerachse
Das Fahrwerk hinterlässt dennoch (trotz dem Dröhnen auf manchen unebenen Strecken) einen guten Eindruck, immerhin steckt hinten eine Mehrlenkerachse drin. Das ist jetzt alles nicht weiß Gott wie komfortabel oder sportlich, aber immerhin ganz ok und die Dämpfer sprechen bei groben Unebenheiten auch ganz brav an. Damit kann man gut leben. An einen Superb oder Passat kommt es aber natürlich nicht ran, schon gar nicht an das optionale adaptive Fahrwerk.
Und warum Super-Hybrid?
Der Clou ist, dass der BYD Seal 6 DM-i nach WLTP bis zu 100 Kilometer rein elektrisch schaffen soll. Dank der 19 Kilowattstunden großen Batterie. Das geht sich nur leider schon deshalb nicht aus, weil sich bei 25 Prozent Akku-Ladestand der Verbrenner zuschaltet. In der kalten Realität waren es rund 50 Kilometer, bevor der Benziner sich wieder gemeldet hat.
Anschließend ergab sich ein Benzinverbrauch von knapp 8 Litern auf 100 Kilometer. BYD gibt mit vollem 60-Liter-Tank und 19 kWh-Akku eine Gesamtreichweite von 1350 Kilometern an. Wahrscheinlich gibt es eine Kombination aus Fahrweise, Strecke und Außentemperatur, bei der das möglich ist.
Den Akku kann man übrigens auch am Schnelllader anstecken. Schnell laden kann man da allerdings nicht, es fließen maximal 26 kW. Mit Wechselstrom lädt er richtig langsam – mit nur mit 6,6 kW.
Die Preise
Der BYD Seal 6 DM-i Touring ist mit dem hier beschriebenen Antrieb ab 38.990 Euro zu bekommen. Dafür bekommt man die Ausstattung „Comfort Lite“, was praktisch Vollausstattung bedeutet. Darüber gibt es noch „Comfort“ um 1000 Euro extra. Einziger Unterschied: Der zentrale Touchscreen misst dann 15,6 statt 12,8 Zoll.
Darunter gibt es noch die Ausstattung „Boost“ ab 35.890 Euro. Hier muss man vor allem auf die Hälfte der Akkukapazität sowie auf 28 PS der Systemleistung verzichten, und nebenbei auch noch auf Details wie 18-Zoll-Felgen, Panorama-Glasschiebedach, drahtloses Handy-Laden (50 W), Parksensoren vorne, 360-Grad-Kamera oder auch beheizte und belüftete Vordersitze sowie Lenkradheizung. Und das Soundsystem ist auch schwächer. Sechs Jahre Garantie sind hier Standard.
Fahrzit
Wenn man sich den BYD Seal 6 Touring anschaut und sich auch hineinsetzt, ist man erst einmal begeistert: Da bekommt man schon richtig viel Auto fürs Geld. Er schaut blitzsauber aus und der Innenraum wirkt alles andere als billig. Hochwertig sogar. Kein Wunder, dass BYD-Europa-Chefin Stella Li der Überzeugung ist, man müsse Interessenten nur in die Schauräume der Händler bekommen, dann seien sie begeistert und kaufen.
Doch das ist genau das Problem: Der Wagen fährt sich nicht so gut, wie er ausschaut. Es braucht in vielen Belangen noch einiges an Feinschliff, bis er europäisches Niveau erreicht. Ich kann nur zu einer ausgiebigen Probefahrt ermuntern, auch wenn viele Autokäufer sagen, „mir ist das egal, ich merke eh keinen Unterschied“. Wer nach der Probefahrt sagt, „ja, für den Preis passt das so für mich“, hat alles richtig gemacht – und eine fundierte Entscheidung getroffen. Familien mit begrenztem Budget, die viel Platz und Ausstattung brauchen, werden sich hier arrangieren können.
Warum?
Viel Auto fürs Geld
Hochwertiger Innenraum
Geräumiger Innenraum
Warum nicht?
Schlechte Bremsenabstimmung
Unausgereiftes Fahrverhalten
Nur 750 kg Anhängelast
Oder vielleicht …
… VW Passat, Skoda Superb, Peugeot 508 SW
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