„Nur noch ein einziges Mal, versprach ich mir, dieses eine Mal, das das vorherige auslöschen und die Demütigung in einen Sieg verwandeln wird... schließlich gab es keinen Unterschied zwischen einmal betrügen oder zweimal, die beiden Sünden würden im selben Käfig landen, und wenn ich es schon getan hatte, sollte mir wenigstens eine süße Erinnerung bleiben, keine bittere, erstickende..." Zeruya Shalev
Liebesleben. Eine Umschreibung für intime Nähe. Und ein Buchtitel. Atemlos kreist Zeruya Shalevs Roman, der vor zehn Jahren erschien, um die Rätsel der Begierde, um geheime Sehnsüchte - und er rührt an einem Tabu: Gibt es womöglich in uns allen ein lustvoll-archaisches Bedürfnis nach sinnlicher Unterwerfung?
Zwischen Verführung und Erniedrigung
Schon nach der ersten zufälligen Begegnung Jaras mit Arie, einem Jugendfreund ihres Vaters, ist es um sie geschehen. Die junge Frau stürzt sich in eine Affäre, leidenschaftlich und bedingungslos. Ihre Ehe und eine potentielle Karriere an der Universität haben keine Bedeutung mehr. Der erotische Grat zwischen Verführung und Erniedrigung ist schmal. Jara ist Arie trotz des Altersunterschiedes verfallen - und unbewusst scheint sie zu ahnen, dass er der Schlüssel zu einem tragischen Familiengeheimnis ist... Wer ist dieser Mann, der ihre Eltern so sehr aus der Fassung bringt?
Sie traut sich was!
Die Schauspielerin und gebürtige Hannoveranerin Maria Schrader, die am Wiener Max-Reinhardt-Seminar studiert hat und eine feste Größe in der deutschen Kino- und Fernsehlandschaft ist - denken wir nur an die Doris-Dörrie-Filme "Keiner liebt mich" und "Bin ich schön?" oder etwa an "Der Unfisch", "Meschugge" und "Aimee und Jaguar" (Silberner Bär, Berlinale 1999) -, wagt sich in ihrem Regiedebüt "Liebesleben" an eine literarisch wie inhaltlich gewagte Amour fou - und sie traut sich was! Denn der Bestseller der aus Israel stammenden Autorin Zeruya Shalev ist mit inneren Monologen und ziselierten Satzgebilden schwer zu realisierende Leinwandkost und galt lange Zeit als unverfilmbar, konzentriert sich die Erzählung doch ganz auf Jaras Gedanken- und Gefühlswelt.
Dass es Maria Schrader dennoch gelungen ist, die verstörende Atmosphäre des Romans ohne Verlust an Intensität auf die Leinwand zu übertragen (gedreht wurde in Israel), liegt zum einen an ihrer Regie - "der einsamste Beruf der Welt", so Schrader -, zum anderen an den brillanten Darstellern. Der Kroate Rade Sherbedgia, der u. a. schon mit Clint Eastwood, John Woo und Stanley Kubrick zusammenarbeitete, überzeugt als Arie, ein Mann zwischen Potenz, Provokation und Einsamkeit, in der Rolle der Jara sehen wir Netta Garti, eine hochbegabte Bühnengröße aus Tel Aviv.
Maria Schrader: "Jara begibt sich nicht auf die Suche nach dem Glück, sondern nach der Wahrheit. Ich glaube, dass viele Frauen mit den unveränderten Koordinaten der Liebe hadern. Unabänderlich sind sie nicht. So flieht Jara die höfliche Indifferenz eines lauen Ehelebens. Es gibt sie, die Sehnsüchte nach männlicher Dominanz, die wir uns aber kaum eingestehen, weil sie unserem Selbstbild von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung entgegenstehen... Aus Schmerz und Chaos entsteht letztlich immer eine Kraft, die uns vorantreibt." ("Liebesleben", ab 7. Dezember im Kino)
Von Christina Krisch, Kronen Zeitung
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