Babis vor Sieg

Wählt auch Tschechien den Ruck nach rechts?

Ausland
20.10.2017 16:50

Wählt auch Tschechien den Ruck nach rechts? Am Freitag und Samstag wählt unser Nachbarland ein neues Parlament. Die ANO-Partei (tschechisch für "Ja") des Populisten und Milliardärs Andrej Babis führt in allen Umfragen zur Wahl zum tschechischen Abgeordnetenhaus. Babis sei "im Grunde gar kein Demokrat", warnen Kritiker.

Andrej Babis drückt den Menschen sein Buch in die Hand. "Nehmen Sie das, ich habe zwei Jahre daran gearbeitet", sagt der 63 Jahre alte Politiker in der Fußgängerzone im tschechischen Pilsen (Plzen). Der Titel: "Wovon ich träume, wenn ich ausnahmsweise schlafe". Versprochen wird darin viel: kostenloses Internet für alle, Hochgeschwindigkeitszüge zwischen allen großen Städten, saubere Luft und ein schlanker Staat.

Protestpartei gegen den alten Filz
Immer wieder bleiben Leute stehen, um sich mit Babis fotografieren zu lassen. Er lächelt bereitwillig in die Kameras. Vor fünf Jahren hatte der Multimilliardär die nach eigener Darstellung liberale Protestpartei ANO als "Aktion unzufriedener Bürger" gegründet.

Manche hatten erwartet, ein Unternehmer wie Babis mit Firmen in Deutschland und einem Ferienhaus in Frankreich werde automatisch EU-freundlich gesinnt sein. Doch die Euro-Einführung lehnt der Ex-Finanzminister ab: "Natürlich wäre es für die Unternehmen gut, denn sie müssten nichts absichern und hätten einen sicheren Kurs, aber für den Staat wäre es nicht gut." Für einen EU-Austritt, auch "Czexit" genannt, sei er aber "mit Sicherheit nicht". Auch von Flüchtlingsverteilung will Babis nichts wissen. Er sei für einen Stopp der illegalen Migration, sagt er.

Europa sei unfähig, das Problem zu lösen. "Unsere Firmen wollen Ukrainer und Slowaken, aber nicht die Migranten, die uns die EU aufnötigt", sagt Babis. Die ohnehin geringen Sozialleistungen würde er am liebsten noch weiter kürzen. "Die Parasiten trennen von denen, die arbeiten", nennt er das. "Babis hat die Energie und die Kraft, kräftig anzupacken", loben seine Unterstützer.

Anhaltende Affären haben ihm erstaunlich wenig geschadet: Im September hatte das Parlament die Abgeordneten-Immunität des ANO-Gründers aufgehoben. Die Polizei beschuldigt Babis, bei EU-Subventionen für sein Wellness-Resort Storchennest betrogen zu haben. Es geht um zwei Millionen Euro. In früheren Affären waren ihm moralisch fragwürdige Steueroptimierung und als Eigentümer der zwei wichtigsten Zeitungen Medienbeeinflussung vorgehalten worden.

Die Angst vor Migranten war das große Thema im Wahlkampf. In einer aktuellen Umfrage des öffentlich-rechtlichen Fernsehens überholt ANO die Sozialdemokraten.

"Babisconi" ist der Königsmacher
Babis könnte wieder mit den Sozialdemokraten in eine Regierung gehen - diesmal als Chef. Wenn schon nicht Premier, dann ist er jedenfalls der Königsmacher. Der nach Eigendefinition "Anti-Politiker" hat als Stimme der Wutbürger die politische Mitte der tschechischen Politik fest besetzt.

"Babisconi" sei ein Unternehmer-Populist vom Schlag eines Silvio Berlusconi oder Donald Trump, sagt der Politologe Jiri Pehe, einst Berater bei Präsident Vaclav Havel (1936-2011). "Wenn es um seine Beziehung zur Demokratie geht, dann ist er im Grunde gar kein Demokrat", urteilt er. Babis habe das Parlament als Schwatzbude bezeichnet, den Senat als zweite Kammer wolle er auflösen. "Er glaubt, berufen zu sein, das ganze Land in eine Firma seines Typs umzubauen."

Einige seiner Visionen seien gefährlich, Babis werde aber nur schwer Verbündete dafür finden, sagt der Politologe Lukas Jelinek. "Ich sehe zwar seine Dämonisierung als Gefahr für die Demokratie, aber er hat nur bis heute die Prinzipien der liberalen Demokratie und des Parlamentarismus nicht verstanden." Babis hätten zwar die korrupten Seilschaften in Politik und Gesellschaft gestört, letztlich sei er aber auch nicht anders als die anderen.

Populisten ist erlaubt, was anderen verboten
Das ist keine Überraschung. Populisten wird in der Regel von ihren Anhängern an Sünden verziehen, was sie bei anderen als unverzeihlich betrachten. Fragen wirft zudem auf, wie Babis zu seinem Vermögen gekommen ist. Seine Agrofert-Holding zählt zu den größten Lebensmittel- und Agrarunternehmen in Tschechien. Die beiden Filmemacher Vit Janecek und Zuzana Piussi haben sich in dem Dokumentarfilm "Selsky rozum" ("Bauernschläue") kritisch mit den Geschäftspraktiken des Firmenimperiums auseinandergesetzt.

Sie werfen Andrej Babis einen Interessenkonflikt vor, denn seine Geschäfte seien zum überwiegenden Teil von Agrarsubventionen und staatlichen Aufträgen abhängig. Er dränge auch nur deshalb in die Regierung. Viele verweigerten Gespräche mit den Filmemachern. Janecek sagt: "Jene Leute, die direkte Erfahrung mit ihm haben, haben vor Babis Angst, und der andere Teil der Gesellschaft erliegt seiner virtuosen PR und Fähigkeit, die Rolle des herzlichen, volksnahen Menschen zu spielen."

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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