Do you THE WHO?

The Whos “Endless Wire”

Musik
29.10.2006 10:36
Den stereotypen Altersheim-Schmäh, der üblicherweise dann aufkommt, wenn eine Band einmal das Durchschnittsalter von 60 überschreitet, kann man sich bei Roger Daltrey und Pete Townshend gleich sparen. The Who zerlegen auf der Bühne zwar keine Gitarren mehr und die Hälfte der Band ist mittlerweile tot, aber die Ideen gehen den zusammen 123 Jahre alten Hauptfiguren der legendären Formation noch lange nicht aus. 24 Jahre nach dem letzten Band-Album erinnern sie auf ihrem neuen Longplayer „Endless Wire“, dass Genialität auch nach Pensionsantritt erhalten bleibt, die Dritten beim Singen nicht stören und auch das Rheuma die Gitarrensoli nicht langsamer macht.
(Bild: kmm)

In den Köpfen sind The Who stets als laute Radauband in Erinnerung, von deren Pionierleistungen das gesamte Rockbiz immer noch zehrt. Als sie die ersten Schlagzeuge auf der Bühne abfackelten, konnte Kurt Cobain „Nirvana“ noch nicht einmal aussprechen. Der junge Eddie Vedder von Pearl Jam soll einmal gesagt haben, das Scheußliche an The Who sei, dass sie jede Tür im noch nicht entworfenen Gang des Rock’n’Roll bereits eingetreten haben und für ihre Nachfahren nur ein paar Trümmer übrig ließen.

Und er hat nicht Unrecht: The Who verschmolzen erstmals Synthesizer mit Rockinstrumenten, programmierten Biodaten in Computer, worauf aus Körpergröße und Gewicht ein Songthema wurde und brachten einige der erfolgreichsten Konzeptalben in Form von Rockopern heraus. Sie hatten Alkoholexzesse, Groupies und spielten in Woodstock. Auch Tragödien blieben ihnen nicht erspart: Keith Moon, ihr exzentrischer Schlagzeuger, starb nach den ersten 14 Jahren der insgesamt 40-jährigen Bandgeschichte und bei einem Who-Konzert 1979 in Cincinnati wurden elf Menschen totgetrampelt, was ganz nebenbei die Aussage Vedders auf schreckliche Art und Weise im Nachhinein unterstreicht.

Alles lange vorbei. Was geblieben ist, sind die übernatürlichen Songs des ehemaligen Kunststudenten Pete Townshend und die kräftige Stimme seines irdischen Mediums, Roger Daltrey. Für „Endless Wire“ brauchten sie vier Jahre. Das Album entstand dabei in Etappen und zum Großteil in Townshends Kellerstudio in London. Neun eigenständige Songs und die Mini-Rockoper „Wire&Glass“ mit 10, zwischen einer und vier Minuten kurzen, Nummern bilden „Endless Wire“, an dem insgesamt 15 musikalische Begleiter der Who mitgewirkt haben.

Den Kern der Band stellen neben Townshend und Daltrey, Bassist Pino Palladino, der dem verstorbenen John Entwistle liebevoll Rosen streut und Schlagzeuger Peter Huntington, der den eigentlichen Who-Drummer Zak Starkey mit bravem Keith-Moon-Nachspielen bei den Aufnahmen vertrat. Starkey, übrigens Sohn von Beatles-Trommler Ringo Starr, war sehr zum Ärger von Townshend bei Oasis eingespannt und konnte nur einen einzigen Track auf „Endless Wire“ spielen.

Das erste Who-Album seit 1982 klingt musikalisch betrachtet wie eine Retrospektive. Die kurzen Rockkracher „Sound Round“, „Pick Up The Peace“ oder auch „We Got A Hit“ erinnern an die wilden Anfangszeiten, als The Who mit „My Generation“ den Mods den Ärger aus der Seele schrien. Das Synthesizer-Ostinato im Opener „Fragments“ ruft Erinnerungen an „Baba O’Riley“ wach, während die ruhigeren Tracks der Mini-Oper – no na – ein bisschen nach dem Schema von „Tommy“ und „Quadrophenia“ gestrickt sind, aber auch Townshends Hang zur Akustikgitarre demonstieren - zu Banjo und Mandoline greift er auf „Endless Wire“ unnatürlich oft.

Zwei Songs sind gar vollständig „unplugged“. Auf „Man In A Purple Dress“ bringt Townshend seinen Unmut über den derzeit schwelenden Krieg der Religionen zum Ausdruck. „Ihr Priester, Ihr Mullahs so hoch, Ihr Päpste, ihr weisen Rabbis – ihr seid alle unsichtbar für mich“, singt Daltrey in dem Song, bei dem sich Townshend angeblich von Mel Gibsons Jesus-Film inspirieren ließ. Das pathetische „In The Ether“ wiederum ist wiederum diese höchst eigenartige Form von Liebeslied des in mehreren Dimension denkenden Pete Townshend.

Höhepunkt auf „Endless Wire“ ist neben der kompletten Mini-Oper der Track auf dem Zak Starkey mittrommelt. „Black Widow’s Eyes“ hat alles was ein richtiger Who-Song braucht: Verworrene Lyrics, Gitarrenriffs, vor denen sich aktuelle Britrock-Bands niederknien können und jene dynamische Auf- und Abschwünge, die Pete Townshend an der Gitarre und Roger Daltrey mit stimmlichen Höhenflügen zelebrieren. Und da soll sich mal einer Altersheim sagen trauen...

9 von 10 of die who the who mögen

Christoph Andert

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