Krieg unter Brüdern
Ostukraine: Kinder zwischen den Fronten
Seit 2014 tobt in der Region um Lugansk und Donetsk an der Grenze zu Russland ein blutiger Krieg unter Brüdern. Bilanz des Horrors: 10.000 Tote und 22.500 Verletzte! In den Kriegsruinen droht jetzt vielen der Kältetod ...
Checkpoint Zero in Stanytska Luhanska. "Wir leben hier, als ob die Zeit eingefroren wäre", bringt Schuldirektorin Galina W. die prekäre Lage, 800 Meter vom letzten Außenposten entfernt, auf den Punkt.
Praktisch alle ihrer 86 Schüler sind mittlerweile traumatisiert. "Eigentlich sind auch wir Erwachsenen bereits kriegsgeschädigt", sagt die Pädagogin dann ruhig, um nicht zu sagen ganz apathisch, vor sich hin. Inmitten der Fronten lebt es sich gefährlich wie auf einem Pulverfass.
Seit Beginn des Bürgerkriegs ist die 36-Jährige mit ihren Schützlingen schon zigmal in den Keller geflohen. Zum Schutz vor Granatenregen oder Kugelhagel versteckten sie sich unter der Erde. Zumal schon 200 (!) Schulen zerstört wurden. "In manchen Wochen wurde der Unterricht in den Bunker verlegt", so die Lehrerin.
Aus Kriegsangst hat Alex die Sprache verloren
In der Computerklasse erinnert ein Einschussloch im Fenster an die ständige Bedrohung. Vor allem die 75.000 Menschen entlang der 500 Kilometer langen und 30 Kilometer breiten Pufferzone sind täglichem Terror zwischen Armee und Separatisten ausgesetzt. Auch wenn das Minsker Abkommen garantiert, dass keine Artillerie oder Panzer eingesetzt werden.
"Vor einem halben Jahr hat Alexandra zu reden aufgehört. Obwohl sie schon plaudern konnte, will Alex heute nicht mehr reden", erzählt dann Valeria beim Lokalaugenschein. Tränen stehen der Mutter (37) in den Augen. Sie redet irgendetwas von Polypen- oder einer Mandeloperation, die ihrer Tochter (6) vielleicht helfen könnte, das Kriegstrauma verdrängt sie offenbar.
Tatsächlich ist Alexandra eines von 1,7 Millionen Kindern, die vom Konflikt betroffen sind. Therapeuten der Caritas sorgen sich liebevoll um Hunderte Mädchen und Buben mit psychosomatischen Störungen.
Ebenso wie die verschreckten Schulkinder, die sich sogar bei Sonnenschein kaum zum Spielen außer Haus wagen, leiden viele Betagte im stillen ukrainisch-russischen Grenzkrieg.
"Wer braucht diesen Krieg? Warum fahren Lastwagen an uns vorbei, aus denen das Blut getöteter Soldaten auf die Straße rinnt? Warum werden Kühe von Granaten zerrissen?", fragt sich Halena W. Dann dankt die 80-Jährige der Caritas. Denn allein mit ihrer staatlichen Pension von 40 Euro würde sie nie durchkommen.
Wir brauchen Waffen im ungleichen Krieg
"Angesichts der tragischen Bilder spürt man die Not hinter den Zahlen", zeigt sich Klaus Schwertner, Caritas-Generalsekretär, betroffen: "Mit unserem Projekt 'Cash for Work' werden Kranke, die abgeschieden leben, betreut. Durch die Bezahlung der Pflegerinnen können auch deren Familien über Wasser gehalten werden."
Öfen, Heizmaterial, Decken und neue Fenster in den Kriegsruinen sollen helfen, dass die Vergessenen der Ost-Ukraine bei minus 30 Grad nicht erfrieren. Rührig dann der Wunsch eines Lokalpolitikers nach Waffensystemen aus dem Westen: "Damit ein Gleichgewicht zwischen den Fronten entsteht und die Ukraine der EU beitreten kann."
Vor unserer Abreise ereilt uns eine traurige Meldung: In der Region wurde soeben ein Ukrainer von einem Heckenschützen getötet.
CARITAS-HILFE IN DER UKRAINE
- Unterstützung von Krisen- und Tageszentren für Kinder
- Familienhäuser für Sozialwaisen und Familienhilfe
- Pflegeprogramme auch für ältere "vergessene" Menschen
- Insgesamt 50.000 Menschen sollen in den Pilotprojekten für die gesamte Ukraine mit drei Millionen Euro unterstützt werden.
SPENDENKONTO
Erste Bank IBAN: AT47 2011 1890 8900 0000
Kennwort: Kinder in Not
Online-Spenden: www.caritas.at/Kinderkampagne
Christoph Matzl, Kronen Zeitung
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