Mildes Urteil

WEGA-Beamte erhalten bedingte Strafen

Österreich
31.08.2006 19:26
Vier Polizisten der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) sind am Donnerstag im Wiener Landesgericht schuldig gesprochen worden, im April den 33-jährigen Gambier Bakary J. in einer Lagerhalle gequält und schwer verletzt zu haben. Drei der Erstangeklagten bekamen je acht Monate bedingt, der vierte sechs Monate bedingt. Alle Sprüche sind rechtskräftig. Bakary J. erhält 3.000 Euro Schmerzensgeld.

"Das ist einfach nicht entschuldbar. Man muss als Bürger darauf vertrauen können, dass man nicht verprügelt wird, wenn man die Polizei bemüht", sagte Einzelrichter Thomas Schrammel in seiner Begründung.

Er räumte bei den Milderungsgründen ein, dass die Angeklagten bisher unbescholten gewesen seien. Heinz Patzelt, Generalsekretär von amnesty international, bezeichnete das Urteil in einer ersten Reaktion als eine "Erklärung von Folter zum Kavaliersdelikt".

Menschenrechtler empört
Heftige Kritik an den Urteilen setzte es auch von weiteren Menschenrechtsexperten und den Grünen. Der Rechtsanwalt Georg Bürstmayr sagte: "Ich gehe davon aus, es wäre zum selben Urteil gekommen, wenn die vier Polizisten in der Lagerhalle einen deutschen Schäferhund traktiert hätten." Die Grünen attackierten Innenministerin Prokop, die durch die heutigen Verurteilungen verstanden haben müsse, dass sie mit dem Kopf im Sand nicht gut sehen kann", wie Menschenrechtssprecherin Stoisits erklärte.

amnesty fordert Anti-Folter-Paragrafen
Patzelt forderte umfangreiche Wiedergutmachung für Bakary J. - wirtschaftlich, sozial und gesundheitlich. Zudem dürfe der Gambier "jetzt nicht der Geborgenheit seiner Familie entrissen werden". Bei der Polizei müsse es zu einer "Kulturänderung innerhalb des Polizeiapparates kommen, die weit über vereinzelte Polizei- und Afrikaner-Projekte hinausgeht". Zudem forderte der ai-Generalsekretär die Installierung eines Anti-Folter-Paragrafen.

Bakary J. wollte seine Familie informieren
Bakary J. erzählte vor Gericht erschütternde Details der Ereignisse. Er sei niemals von seiner Abschiebung informiert worden. Auf der Fahrt zum Flughafen Wien, bei der ihn drei der Angeklagten begleiteten, sei nichts passiert. Dem Kapitän der Linienmaschine, mit der Bakary J. abgeschoben werden sollte, und Flugbegleitern sagte er, dass er gegen seinen Willen fliege, "meine Familie ist nicht verständigt und das Verfahren läuft noch".

Beamter: "Wir haben den Auftrag, dich zu töten"
Die drei WEGA-Beamten fuhren danach mit dem Gambier zurück nach Wien. "Ich habe gefragt, wo mein Gepäck war. Einer der Polizisten sagte: 'Du brauchst dein Gepäck nicht mehr, wir haben den Auftrag, dich zu töten'", schilderte Bakary J. Auch englische Insultierungen soll es gegeben haben. Die Angeklagten bestritten dies.

In der Lagerhalle selbst gab es laut dem Opfer weitere Drohungen: "Sie haben gesagt: 'Wir sind eine Spezialeinheit, wir werden dich töten'", erzählte der 33-Jährige. Einer der Polizisten habe ihn aus dem Auto weggezerrt, dann hätten drei Handschuhe oder Fäustlinge angezogen. Der vierte WEGA-Polizist, der seinen Kollegen die Lagerhalle aufgesperrt hatte, habe nur zugesehen. "Drei haben mich getreten und geprügelt."

Angefahren und rassistisch beschimpft
Der Fahrer des Polizeiwagen - dieser Beamte hatte am Mittwoch ausgesagt, dass er nur aufgepasst habe, dass niemand kommt - "war der Schlimmste von allen". Der Fahrer habe ihm, Bakary J., einen Schlag verpasst, dass er zu Boden gegangen sei. Der Angeklagte wies dies zurück.

Schließlich hätten zwei der Polizisten ihn in die Mitte der Halle geschleift, wo er vom Fahrzeug der Beamten im Rückwärtsgang angefahren worden sei, sagte Bakary J. aus. Zudem habe der Erstangeklagte ihn gefragt: "Kennst du Hitler?" Er habe ihm geantwortet, dass er von ihm gehört habe und dass dieser sechs Millionen Juden getötet habe. Darauf soll der Beamte gesagt haben: "Und du bist der sechs Millionen und erste. Ich hasse euch Schwarze und Juden." Der solcher Art Beschuldigte fragte den Richter: "Kann er mir das auch sagen, wenn er mich dabei ansieht? Ich bin UNO-Soldat gewesen. Das ist nicht meine Diktion."

Schwer traumatisiert von erniedrigenden Erlebnissen
Bakary J. leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das stellte die psychiatrische Gutachterin fest. "Unzweifelhaft ist, dass das Ausmaß dieser Belastungsstörung als schwer anzusehen ist", sagte sie. Nicht ganz klar ist, ob die Misshandlung im April alleiniger Auslöser des Traumas ist oder ob es bereits eine Vorbelastung gegeben hat und die Übergriffe eine Retraumatisierung verursachte. "Das ist eine Frage der Beweiswürdigung", so Rossmanith.

Der Vorwurf, dass die Beamten Bakary J. mit einem Auto angefahren haben, konnte von Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich weder erhärtet noch entkräftet werden. Eine Zerrung der Halswirbelsäule könnte aus medizinischer Sicht darauf hindeuten.

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