Van der Bellen siegt

Der Hofburg-Wahlkrimi im krone.at-Protokoll

Österreich
23.05.2016 18:54

Am Montag um 16.43 Uhr war es endlich so weit: Der Krimi um die Hofburg hat nach fünf Monaten Wahlkampf und einer 24-stündigen Verlängerung aufgrund des extrem knappen Rennens ein Ende gefunden. Die Briefwähler haben das vorläufige Ergebnis noch gedreht und Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen zum Sieg verholfen. Nach mehreren nervenaufreibenden Verzögerungen schritt Innenminister Wolfgang Sobotka vor die Kameras und verkündete das Endergebnis, in dem Van der Bellen 50,3 und FPÖ-Kandidat Norbert Hofer 49,7 Prozent erreichte.

Hochrechnungen des SORA-Instituts hatten am Sonntag eine Pattsituation ergeben: Hofer, der im Ergebnis ohne Briefwahlstimmen 51,9 Prozent erreicht hatte, lag durch die erfahrungsgemäß schlechter bewertete Performance bei den Briefwählern mit insgesamt 50,0 Prozent exakt gleichauf mit Van der Bellen. Letztlich glückte dem grünen Professor die Aufholjagd, er setzte sich mit gerade einmal 31.026 Stimmen Vorsprung durch.

"Gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich"
In seiner ersten Rede als gewähltes Staatsoberhaupt sprach Van der Bellen davon, dass in den vergangenen Monaten "viel geredet, diskutiert, gestritten" worden sei, "quer durch alle Berufe und Schichten, teilweise quer durch die Familien". Er deute das als Zeichen dafür, dass den Österreichen die Politik "nicht egal" sei. Zu den beiden annähernd gleich starken Lagern, die die Stichwahl hervorgebracht hat, sagte Van der Bellen, "beide Teile sind gleich wichtig, gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich".

Video: Van der Bellens erste Rede als gewähltes Staatsoberhaupt

Die dramatische Wahlentscheidung im krone.at-Protokoll:

  • 18.09 Uhr: Van der Bellen tritt erstmals als gewählter Bundespräsident vor die Presse - auch vor die internationalen Medienvertreter, die er auf Englisch begrüßt. "Diese Wahl hat niemanden in Österreich unberührt gelassen", sagt er und bezeichnet sein Ergebnis als "Verantwortung". Der Wahlsieger spricht seinem Konkurrenten "Respekt und Anerkennung" aus und dankt den Österreichern dafür, zur Wahl gegangen zu sein. Viel sei zuletzt über aufgerissene Gräben gesprochen worden, er wolle das "nicht dramatisieren". Sehr viele Menschen hätten in den vergangenen Monaten miteinander gesprochen, diskutiert, gestritten, "quer durch alle Berufe und Schichten, teilweise quer durch die Familien". Er halte das für ein "gutes Zeichen" und einen Hinweis dafür, dass den Österreichern die Politik "nicht egal" sei. In sechs Jahren, am Ende seiner Amtsperiode, sollten alle Bürger sagen können, "ja, mir geht es gut oder sogar besser". Weiters teilt Van der Bellen mit, seine Mitgliedschaft bei den Grünen im Sinne der Überparteilichkeit mit dem heutigen Tag ruhend zu stellen. Zum nahezu 50/50-Ergebnis sagt er, "beide Teile sind gleich wichtig, gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich".
  • 18.06 Uhr: Gratulationen kommen auch von Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Kern mahnt angesichts des knappen Ergebnisses, man müsse sicherstellen, dass sich "kein Wähler als Wahlverlierer" empfindet. An die Hofer-Wähler gerichtet sagt Kern, "wir haben die Botschaft verstanden". Mitterlehner streicht hervor, man müsse nach der Polarisierung des Wahlkampfs wieder das Gemeinsame in den Vordergrund stellen.
  • 17.51 Uhr: Es war die knappste Wahlentscheidung der Zweiten Republik. Nur bei einer Präsidentenwahl ging es ähnlich eng her: 1965 entschied SPÖ-Kandidat Franz Jonas mit 50,7 Prozent das Rennen gegen seinen ÖVP-Konkurrenten Alfons Gorbach für sich.
  • 17.35 Uhr: Noch-Präsident Heinz Fischer gratuliert seinem Nachfolger. "Es war ein knappes Rennen", sagt Fischer, "ich möchte daher auch dem Mitbewerber Norbert Hofer meine Anerkennung aussprechen." Für Dienstag hat Fischer Van der Bellen zu einem Gespräch eingeladen.
  • 17.26 Uhr: Im Endeffekt hat Van der Bellen 61,7 Prozent der Briefwahlstimmen geholt. Nur so war es möglich, den doch recht deutlichen Rückstand von 3,8 Prozentpunkten vom Sonntag noch aufzuholen.

  • 17.09 Uhr: NEOS-Chef Matthias Strolz wünscht Van der Bellen alles Gute für seine Aufgabe und streicht hervor, dass sich die Mehrheit der Österreicher für einen "weltoffenen und europaorientierten Präsidenten" entschieden habe. Nationalratspräsidentin Doris Bures wünscht dem neuen Präsidenten viel Erfolg und zeigt sich zuversichtlich, dass Van der Bellen durch "besonnene Amtsführung eine einende und versöhnliche Kraft für das Land" sein könne. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka mahnt den Wahlsieger, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Ganz ähnlich lautet der Appell von Kardinal Christoph Schönborn.

  • 17.04 Uhr: FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sagt, man werde trotz des äußerst knappen Ergebnisses "keine Wahlanfechtung um der Wahlanfechtung willen" durchführen. Allerdings wolle die FPÖ im Parteivorstand am Dienstag "mögliche Missstände substanzieller Art bei der Auszählung der Wahlkarten" prüfen.
  • 16.55 Uhr: Die ersten internationalen Reaktionen treffen ein: Die rechtspopulistische deutsche AfD gratuliert Van der Bellen, beglückwünscht aber gleichzeitig Hofer zu einem "herausragenden Ergebnis". Die SPD zeigt sich erleichtert über den Sieg des grünen Professors, Generalsekretärin Katarina Barley spricht von einem "guten Tag für Europa". Die spanischen Konservativen wiederum äußern Besorgnis wegen des "Aufstiegs der Extremismen und Populismen". Die EU-Abgeordneten begrüßen großteils Van der Bellens Sieg.
  • 16.43 Uhr: Innenminister Sobotka verkündet das Ergebnis: Van der Bellen erreicht 50,3 Prozent, Hofer 49,7. In absoluten Zahlen wird die Knappheit ersichtlich: 2,254.484 Stimmen konnte Van der Bellen sammeln, Hofer 2,223.458 - der Unterschied beträgt gerade einmal 31.026 Stimmen. Die Wahlbeteiligung liegt bei 72,8 Prozent und damit deutlich über den im ersten Wahlgang erreichten 68,5 Prozent.
  • 16.22 Uhr: Hofer zeigt sich als fairer Verlierer und gesteht noch vor der offiziellen Bekanntgabe des Endergebnisses seine Niederlage ein. "Ich bedanke mich für Eure großartige Unterstützung", schreibt er auf Facebook. Und weiter: "Natürlich bin ich heute traurig", der Einsatz für den Wahlkampf sei jedoch "nicht verloren sondern eine Investition für die Zukunft".

  • 16.18 Uhr: Derzeit soll Van der Bellen um rund 16.000 Stimmen voran liegen.
  • 16.14 Uhr: Genau eine Gemeinde ist noch ausständig, daher lässt das amtliche Endergebnis weiter auf sich warten. Es handelt sich um Innsbruck-Stadt, wo nach einer Panne erneut ausgezählt werden muss.
  • 16.00 Uhr: Die Wahlkarten-Ergebnisse von Wien sind eingetrudelt. Von den zwei Bezirken, die Hofer am Sonntag für sich entscheiden konnte, verbleibt mit Simmering nur noch einer beim blauen Kandidaten - um gerade einmal 200 Stimmen. In Floridsdorf kann Van der Bellen an Hofer vorbeiziehen und landet bei 51,1 Prozent. Das endgültige Wien-Ergebnis: Van der Bellen erreicht 63,3 Prozent, Hofer 36,7.
  • 15.57 Uhr: Derzeit liegt Van der Bellen laut unbestätigten Informationen um etwa 12.000 Stimmen vor Hofer. Am Ende dürfte er Schätzungen zufolge etwa 20.000 Wähler mehr als sein blauer Konkurrent für sich gewonnen haben.
  • 15.48 Uhr: Auch wenn noch immer kein Endergebnis vorliegt, wird bekannt, dass sich Van der Bellen in allen bisher fertig ausgezählten Bundesländern gegenüber seinen Werten vom Sonntag deutlich verbessert hat. In Wien und in der Steiermark gewinnt er etwa jeweils gut zwei Prozentpunkte dazu.
  • 15.40 Uhr: Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Van der Bellens Aufholjagd hat gefruchtet, der Ex-Grünen-Chef wird neuer Bundespräsident.
  • 15.01 Uhr: Die Briefwahlstimmen verhelfen Van der Bellen auch zum Sieg in der zuvor einzigen von Hofer gehaltenen Landeshauptstadt: In Eisenstadt, der Hauptstadt von Hofers burgenländischer Heimat, lag Hofer am Sonntag noch bei 51,2 Prozent, nun liegt Van der Bellen mit 50,3 Prozent voran.
  • 14.50 Uhr: Die Internetseite des Landes Salzburg, auf der die österreichweite Auszählung der Briefwahlstimmen laufend aktualisiert eingesehen werden konnte, ist wegen der hohen Zahl an Zugriffen nicht mehr erreichbar. Die IT muss die Kapazitäten für die Datenübertragung kurzfristig erhöhen.
  • 14.40 Uhr: Google weiß anscheinend bereits, wer neuer Präsident wird: Ein Screenshot zeigt, dass eine Suchanfrage mit dem Begriff "Österreich" unter "Präsidenten" die Namen Norbert Hofer und Heinz Fischer ausspuckt.
  • 14.34 Uhr: Hofer will sich heute nicht mehr öffentlich äußern. Der FPÖ-Kandidat nimmt den traditionellen "blauen Montag" an Tagen nach Wahlen offenbar auch diesmal ernst. Erst am Dienstag will er sich nach dem Parteivorstand den Medien stellen.
  • 14.07 Uhr: Van der Bellen teilt mit, dass er etwa 30 bis 45 Minuten nach Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses eine Erklärung vor der Presse abgeben will.
  • 14.05 Uhr:Van der Bellen dreht Wiener Neustadt. Nach vollständiger Auszählung der Wahlkarten erzielt er in der zweitgrößten Stadt Niederösterreichs 50,4 Prozent, Hofer kommt auf 49,6. Am Sonntag war der Stand noch umgekehrt gewesen: Hofer hatte 50,7, Van der Bellen 49,3 Prozent.
  • 13.51 Uhr: Die ersten Teilergebnisse der Wahlkartenauszählung lassen ein extrem knappes Rennen erwarten. Das Land Salzburg veröffentlicht auf seiner Homepage einen laufend aktualisierten Gesamtstand, wonach Van der Bellen einen österreichweiten Zwischenwert von etwas mehr als 60 Prozent erreichen würde. Das entspricht etwa jenem Niveau, das er laut Hochrechnern bräuchte, um Hofer noch zu überholen. Im Innenministerium betont man, dass sich aus den Zahlen keine seriösen Rückschlüsse auf das Endergebnis ziehen ließen.
  • Die Hofburg-Stichwahl in absoluten Zahlen
    Die bis Sonntagabend ausgezählten Stimmen ohne Wahlkarten sowie die Hochrechnungen mit Wahlkarten hatten unterschiedliche Ergebnisse gebracht - was bei vielen für Verwirrung sorgte, sogar Manipulationsvorwürfe wurden laut. krone.at erklärt mittels absoluter Zahlen, warum beinahe ganz Österreich auf der politischen Landkarte blau eingefärbt ist und dennoch Grün am Ende gewinnen konnte.

    Bei all der Aufregung ob des extrem engen Duells zwischen den beiden Bundespräsidentschaftskandidaten sind die Erklärungsversuche sowohl der Wahlbehörde als auch der Politikwissenschaftler im ORF und in den Privatsendern untergegangen. Dabei sind die immer wieder erwähnten Unterschiede zwischen den veröffentlichten Ergebnissen der Wahlforschungsinstitute und jenen des Innenministeriums rasch erklärt, sie kommen durch unterschiedliche Berechnungsmethoden zustande:

    • Das Innenministerium dagegen verzichtete in seinem "vorläufigen Endergebnis" auf die Briefwähler und zeigte ausschließlich die Zahl der ausgezählten Stimmen. Hier kam Hofer ohne Wahlkarten auf 51,9 Prozent, Van der Bellen auf 48,1. Beide Berechnungsmethoden sind korrekt, jedoch schlichtweg unterschiedlich.
    • Die letzte Hochrechnung des ORF am Sonntag - Van der Bellen und Hofer lagen gleichauf bei jeweils 50,0 Prozent - fußte auf den tatsächlich ausgezählten Stimmen sowie einer Prognose der rund 800.000 Briefwähler-Stimmen. Diese wurden erst am Montag ausgezählt und daraufhin das wahlentscheidende Ergebnis bekannt gegeben. Eine Schätzung war in der ORF-Hochrechnung jedoch bereits berücksichtigt.

    Ein zweiter Aspekt ist, dass zahlreiche Wahlbezirke, in denen Hofer gewonnen hat, dünner besiedelt sind als etwa die Landeshauptstädte und die Bundeshauptstadt Wien - und in diesen hat Van der Bellen die Nase vorn. Zudem liegt der Ex-Grünen-Chef in Vorarlberg vorn, am Montag gingen auch Oberösterreich und Tirol an ihn.

    Die absoluten Zahlen des Innenministeriums vom Sonntagabend zeigten, wie knapp die Angelegenheit war: Von den insgesamt 6,382.507 Wahlberechtigten gaben 3,876.942 Österreicher ihre Stimme ab. Das bedeutet eine Wahlbeteiligung von 60,7 Prozent, inklusive Wahlkarten stieg dieser Wert schließlich auf 72,8 Prozent. Gültig stimmten bundesweit in der Wahlzelle insgesamt 3,731.720 Wähler. Von diesen Stimmen entfielen 1,937.863 (51,9 Prozent) auf Hofer und 1,793.857 (48,1 Prozent) auf Van der Bellen. Der FPÖ-Kandidat lag damit zunächst mit 144.006 Stimmen voran, im Endeffekt entschieden 31.026 Stimmen für Van der Bellen.

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