Ehepaar erschlagen

Das grauenhafte Ende eines Nachbarschaftskriegs

Österreich
20.02.2016 19:08

Er blieb immer ruhig, wenn er von dem Ehepaar, das neben ihm wohnte, beschimpft wurde. Dann brachte Roland H. die beiden Pensionisten um. Warum? In der "Krone" sprechen nun Angehörige des Täters und der Opfer.

Schmucke Einfamilienhäuser. Gepflegte Gärten. Nur wenige Gehminuten entfernt Wiesen, Felder, kleine Wälder. Alles wirkt so beschaulich, so friedlich; in diesem hübschen Wohnviertel in Leonding bei Linz.

Doch die Idylle täuscht. Denn hier herrschte über Jahre hindurch Krieg. Weil sich Erich (74) und Regina Z. (71), die in einer Villa am Ende der Burgerstraße wohnten, ständig belästigt fühlten. Von fast allen Menschen aus der Umgebung. Besonders aber von Roland H. (41) und seiner Familie - ihren direkten Nachbarn.

In dem weiß-grauen Haus wohnt Roland H. mit seiner Familie, dahinter lebte das getötete Ehepaar. (Bild: Markus Wenzel)
In dem weiß-grauen Haus wohnt Roland H. mit seiner Familie, dahinter lebte das getötete Ehepaar.

Die irre Tat eines "ruhigen Mannes"
"Viele unangenehme Dinge sind geschehen", berichten die Leondinger, "bevor es zu der fürchterlichen Tragödie gekommen ist." Am frühen Nachmittag des 13. Februar. Als Roland H. und die Z.s, ganz in der Nähe ihrer Grundstücke, neben einer Baustelle aufeinander trafen. Der 41-Jährige war gerade auf dem Weg zu einem Supermarkt, das Rentner-Ehepaar machte einen Spaziergang.

In Polizeiverhören hat Roland H. mittlerweile zu Protokoll gegeben, dass Erich Z. ihn "bei dieser zufälligen Begegnung aus heiterem Himmel angerempelt und gleichzeitig 'blödes Schwein' und 'Vollidiot' genannt" habe: "Und dann ist etwas Seltsames mit mir passiert." Er spürte Wut in sich hochkommen, "eine Wut, wie ich sie noch nie zuvor gefühlt hatte". Und danach? "Wurde es dunkel in mir." Ja, er weiß es: "Ich habe etwas Schreckliches getan." Doch - nein: "Ich kann mich an meine schrecklichen Handlungen nicht erinnern."

Mit Stahlkappenschuhen auf Opfer eingetreten
Den Rekonstruktionen der Kripo zufolge begann Roland H. nach einem kurzen Wortgefecht mit den Z.s, auf sie einzutreten. Mit seinen Füßen, die in Stahlkappenschuhen steckten. Und als das Ehepaar bereits am Boden lag, riss er eine vor ihm stehende Eisenstange aus ihrer Verankerung und prügelte damit auf die Pensionisten ein. So lange, bis der Bewohner eines Hauses gegenüber, alarmiert durch die Hilferufe der Opfer, ein Fenster öffnete und nach draußen schrie: "Roland! Hör auf! Hör auf!"

"Erst in diesem Moment", so der Täter in Vernehmungen, "kam ich wieder zu mir. Ich sah meine Nachbarn neben mir am Asphalt liegen, im Blut. Und ich fing an, zu begreifen..." Schluchzend setzte er sich auf einen Randstein, wartete das Eintreffen der Polizei ab, ließ sich widerstandslos festnehmen.

Erich und Regina Z. haben den Angriff nicht überlebt. Bereits bei ihrer Spitalseinlieferung hatten sie sich im Koma befunden, am vergangenen Dienstag erlagen sie ihren schweren Kopfverletzungen.

"Wie konnte ich dazu fähig sein?"
Roland H. sitzt jetzt in Linz in Untersuchungshaft. Ihm ist klar, dass ihm eine Anklage wegen Doppelmords droht. Und er sagt, dass er gar nichts mehr versteht. Nicht seine Tat, nicht sich selbst: "Wie konnte ich bloß zu solch Grauenhaftem fähig sein?"

Rudolf H., der Vater des Täters (Bild: Markus Wenzel)
Rudolf H., der Vater des Täters

Wie konnte er? Er, dieser Mann, der bis zu seinem Verbrechen noch nie durch Aggressionsausbrüche aufgefallen war, der von seinem Umfeld als "besonders besonnen und ruhig" beschrieben wird. Als ein Mensch, "der immerzu versuchte, den anderen zu genügen, ihnen alles recht zu machen". Von klein an. "Mein Sohn", erzählt sein Vater Rudolf (66), ein pensionierter Steuerberater, "war ein völlig unproblematischer, lieber Bub." Stets habe er brav gelernt, stets sei er folgsam gewesen. "Und trotz seiner leichten Introvertiertheit konnte er sehr lustig sein."

Nach der HTL-Matura machte er eine Ausbildung zum Nachrichten- und Elektrotechniker. Kam in der Folge beruflich viel in der Welt herum. Jobbte in den USA, in China, Russland, Saudi-Arabien. Vor zwölf Jahren hatte Roland H. vom Reisen genug. Wollte sesshaft werden. Nahm eine Stelle bei einer Firma in Oberösterreich an.

Vater des Täters kaufte Haus in Leonding
"Und ich kaufte bald darauf für ihn diese Liegenschaft in Leonding", so sein Vater. Um 450.000 Euro. "Der Vorbesitzer hatte uns leider nicht vor Erich und Regina Z. gewarnt. Erst bei Rolands Einzug erfuhren wir von Leuten aus der Umgebung, dass er sich auf Schwierigkeiten mit den beiden einstellen müsse. Doch wir nahmen das zunächst nicht ernst."

Ilse H. im Haus ihres Sohnes Roland (Bild: Markus Wenzel)
Ilse H. im Haus ihres Sohnes Roland

"Denn bei einem ersten Zusammentreffen mit ihnen", berichtet seine Mutter Ilse (67), früher Lehrerin, "schienen sie uns nett." Der Mann, ein ehemaliger Großhandelsvertreter, seine Gattin - eine tüchtige Hausfrau. Die Tochter: Juristin. "Wir dachten also an nichts Böses."

Nachbarn erstatteten regelmäßig Anzeige
Bis Roland H. im Sommer 2004 ein paar Freunde zum Grillen auf seine Terrasse einlud. Quasi im Minutentakt riefen die Z.s bei der Polizei an und klagten über Lärmbelästigung. Sogar noch, als die zur Nachschau losgeschickten Beamten längst im Wohnzimmer des angeblichen Ruhestörers saßen und mit ihm Kaffee tranken.

"Richtig schlimm", erklärt Rudolf H., "wurde die Situation im Herbst darauf. Mit dem Beginn von Sanierungsarbeiten an Rolands Haus. Egal ob es um eine Dacherneuerung oder den Einbau einer Klimaanlage ging - die Z.s stießen sich daran." Erstatteten Anzeigen, schrieben Beschwerdebriefe an die Behörden. "Und sie standen ständig am Gartenzaun und beschimpften uns."

Wie Roland H. auf die Angriffe reagierte? "Eigentlich gar nicht. Er ließ sich von ihnen nicht beirren." Bot ihnen "Paroli", indem er seinen Rasen manchmal mittags mähte. Und hoffte, dass seine Nachbarn mit der Zeit umgänglicher werden würden. Das Gegenteil geschah.

"Der totale Horror fing an"
Nachdem der Techniker 2008 eine Krankenschwester geheiratet und das Paar zwei Kinder - der Sohn ist heute neun, die Tochter sechs Jahre alt - bekommen hatte, "fing", so Rudolf H., "der totale Horror an. Ständig stießen die Z.s wüste Drohungen aus. Vor allem gegen unsere Enkel." Der Terror führte dazu, dass Roland H.s Frau an seelischen Verstimmungen litt und in Todesangst lebte. Sich mit ihren Kindern, selbst bei schönstem Wetter, im Haus verschanzte, "und mitunter über Wochen mit den Kleinen zu Verwandten flüchtete".

Roland H. wirkte, trotz der zunehmend größer werdenden familiären Probleme, gefasst. Versuchte in langen Gesprächen, seine Frau zu beruhigen. Nahm ihr Arbeiten im Haushalt ab. Kümmerte sich noch mehr um seine Kinder. Neben seinem anstrengenden Beruf.

"Herr H. ist ein eiskalter Mensch"
"Mein Klient", so Roland H.s Anwalt Andreas Mauhart, "muss in den vergangenen Jahren unter enormem psychischem Druck gestanden sein." Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner wird den Täter demnächst untersuchen und klären, ob er - wie sein Verteidiger vermutet - die Tat im Affekt begangen hat. Oder ob andere Gründe dafür ausschlaggebend waren. "Herr H.", sagt Isabella Z., die Tochter des getöteten Ehepaars, "ist hinter seiner netten Fassade ein eiskalter Mensch. Aber meine Eltern waren herzensgut."

Video: Ehepaar nach Attacke mit Eisenstange gestorben

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