"Menschenrechte"

EU-Kommission will die Asyl-Obergrenzen kippen

Österreich
18.02.2016 15:14

Österreich soll in Brüssel offenbar zum Sündenbock gestempelt werden: Laut Auffassung der EU-Kommission verstoßen die angekündigten jährlichen und täglichen Asyl-Obergrenzen - die "Krone" berichtete - gegen die Europäische Menschenrechtskonvention! "Österreich hat die Verpflichtung, jeden Asylantrag zu akzeptieren, der auf seinem Territorium oder an seiner Grenze gestellt wird", hieß es am Donnerstag in einem Brief der EU-Behörde an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Bundeskanzler Werner Faymann verteidigte vor dem EU-Gipfel die Obergrenzen.

Die EU-Kommission ortete in dem Schreiben von EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos auch einen Verstoß gegen die Genfer Konvention und Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Kommission: Kontingente nicht zulässig
Außerdem kritisierte die EU-Behörde, dass Kontingente für den Transit von Flüchtlingen nicht zulässig seien. Schutzbedürftige dürften nicht in das Land ihrer Wahl weiterreisen. "Angesichts dieser Erwägungen, würde ich Sie dringend bitten, die einseitigen Maßnahmen zu überdenken, die Sie vorschlagen", hieß es weiters in dem Schreiben an Mikl-Leitner.

Die Frage, ob Österreich für die Asylanträge zuständig sei, müsste nach den geltenden EU-Bestimmungen entschieden werden, insbesondere nach der Dublin-Verordnung. Diese sieht vor, dass das EU-Land der Erstaufnahme - in den meisten Fällen Griechenland - für die Asylverfahren zuständig ist. In der Praxis ist das Dublin-System in der Flüchtlingskrise aber zusammengebrochen.

Juncker: "Mag Österreichs Entscheidung nicht"
Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kritisierte Österreichs Entscheidung für eine tägliche Flüchtlingsobergrenze scharf. "Was Österreich betrifft, muss ich sagen, dass ich die Entscheidung nicht mag. Wir hinterfragen, ob diese Entscheidung in Einklang mit EU-Recht steht." Er werde daher "eine freundliche Diskussion" mit Bundeskanzler Werner Faymann darüber führen.

Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich wenig erfreut über die Tageskontingente. Wenn die österreichische Regierung sage, sie nehme keine Flüchtlinge auf und gleichzeitig argumentiere, dass die EU nicht funktioniere, dann "ist das eine intellektuell brillante Leistung", so Schulz im ZDF-Morgenmagazin am Donnerstag. Mikl-Leitner hatte zuvor die Zäune und Obergrenzen eine "Ersatzlösung auf Zeit" genannt, zumal eine "gemeinsame europäische Lösung" fehle.

Faymann: "Grenzsicherheit ist Pflicht jeder Regierung"
Auch Faymann verteidigte Österreichs Vorgehensweise: "Prüfen ist jedermanns Recht. Würde sich jeder rechtskonform verhalten, würden wir uns die illegalen Ströme ersparen und es kämen gar keine Flüchtlinge nach Österreich. Grenzsicherheit ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht jeder Regierung." Und er fügte hinzu: "Österreich kann man nach 90.000 Flüchtlingen, die wir im Vorjahr aufgenommen haben, nicht vorwerfen, nicht auf Solidarität zu setzen." Österreich sei "mit Sicherheit nicht das Land, das einer europäischen Lösung im Wege stehe - im Gegenteil".

Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner konterte den Vorwürfen aus Brüssel: "Wir müssen national Maßnahmen setzen, weil der Schutz der Außengrenzen nicht funktioniert. Grenzmanagement sichert staatliche Souveränität", schrieb er auf Twitter.

EU und Balkanstaaten befürchten "humanitäre Katastrophe"
Mikl-Leitner hat am Mittwoch die Tageskontingente für Flüchtlinge festgelegt: Täglich sollen ab Freitag maximal 3200 Menschen, "die um internationalen Schutz in einem Nachbarstaat ansuchen wollen", die Grenze passieren dürfen. Für Österreich selbst werden künftig maximal 80 Asylanträge pro Tag an der Südgrenze angenommen. In der EU und unter den Balkanstaaten wird dadurch allerdings eine "humanitäre Katastrophe" binnen weniger Tage befürchtet.

Mikl-Leitner: "Kontingente selbstverständlich rechtskonform"
Doch laut Mikl-Leitner sei die Einführung der Kontingente vor Monaten für Deutschland rechtskonform gewesen - und "sie ist es selbstverständlich auch jetzt für Österreich". Die Innenministerin zeigte sich über die Kritik aus Brüssel verwundert: "Es ist bemerkenswert, dass gerade Österreich darauf hingewiesen wird, dass sich Asylwerber nicht aussuchen dürfen, in welchem Land sie ihren Antrag stellen. Es sollte allgemein bekannt sein, dass Österreich nicht an der EU-Außengrenze liegt und daher eben nicht das erste sichere Land für Migranten sein kann. Wenn diese berechtigten Hinweise der Kommission an der EU-Außengrenze vollzogen würden, müsste Österreich keine Maßnahmen setzen."

Juncker: "Keine Beschlüsse bei EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise"
Den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag könnte man auch als "Gipfel der Ratlosigkeit" bezeichnen. Denn das brennendste Problem, die Flüchtlingskrise, ist nahezu ausgeklammert. Juncker: "Es wird zu keinen weiterreichenden Beschlüssen kommen." Für die EU-Kommission sei wichtig, dass umgesetzt werde, was bereits beschlossen ist. "Das betrifft vor allem die Umverteilung der Flüchtlinge per Quote über die 28 Mitgliedsstaaten", sagte Juncker.

Dieser Beschluss stehe, er werde aber mangelhaft umgesetzt. Von insgesamt 160.000 Flüchtlingen wurden erst weniger als 600 von Italien und Griechenland auf die anderen EU-Staaten umverteilt. Juncker kündigte an, die EU-Kommission werde von der Ratsentscheidung zur Umverteilung vom Vorjahr nicht abweichen.

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