Keine Cannabinoide

Medikamententest: Versuchsperson hirntot

Ausland
15.01.2016 19:07

Fatales Medizin-Drama in Frankreich: Nach einem "schweren Unfall" bei einem Medikamentenversuch liegt ein Teilnehmer hirntot auf der Intensivstation. Fünf weitere Versuchspersonen wurden ebenfalls in das Universitätsklinikum von Rennes gebracht, bei mindestens drei besteht die Gefahr bleibender Schäden, hieß es am Freitagnachmittag. Anders als zuvor von Medien berichtet, enthielt das Medikament aber keine Cannabinoide.

Die ersten Symptome bei Testpersonen zeigten sich laut Gesundheitsministerium bereits Anfang der Woche, woraufhin der Test abgebrochen und sämtliche Versuchspersonen zusammengerufen und untersucht wurden. Das Medikament stammt den Angaben des Ministeriums zufolge von einem lizenzierten europäischen Hersteller, dem portugiesischen Pharmahersteller Bial. Durchgeführt wurde der Test vom privaten Labor Biotrial in Rennes im Nordwesten Frankreichs. Das Labor ist laut Gesundheitsministerin Marisol Touraine "auf klinische Medikamententests spezialisiert, um Sicherheit und Verträglichkeit von neuen Produkten zu prüfen".

Substanz griff Nervensystem an
Touraines Angaben zufolge war das Medikament 90 freiwilligen Probanden in verschiedenen Dosen verabreicht worden, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Bei den sechs Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten - alle Männer zwischen 28 und 49 Jahren -, hat die Substanz das Nervensystem angegriffen. "Ihre Not hat mich erschüttert", sagte die Ministerin.

Gilles Edan vom behandelnden Universitätsklinikum Rennes sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Gesundheitsministerin, bei mindestens drei Patienten bestünde die Gefahr bleibender Schäden. Alle sechs erkrankten Teilnehmer waren demnach gesund, bevor sie die Testsubstanz eingenommen haben. Es gebe die Hoffnung, dass sich ihre Symptome verbessern, aber auch die Gefahr, dass sie sich verschlechtern, erklärte Edan. Ein Mann ist nur zur Beobachtung in der Klinik.

Medikament enthielt keine Cannabinoide
Hatten französische Medien zunächst berichtet, dass es sich dem Test um ein Schmerzmittel auf Cannabis-Basis, das als Tablette eingenommen wird, handle, hieß es bei der Pressekonferenz, dies sei nicht der Fall. Die Arznei, die sich in der ersten Phase der klinischen Studie befunden habe, habe demnach keine Cannabinoide enthalten.

Das Mittel soll motorische Störungen, Ängste und Stimmungsschwankungen lindern, die bei neurogenerativen Krankheiten auftreten. Es wirke auf das körpereigene Cannabinoidsystem (Endocannabinoidsystem), also entsprechende Rezeptoren im zentralen Nervensystem, die auch bei der Wahrnehmung von Schmerzen wichtig sind, erklärte Touraine.

In Phase eins wird der Wirkstoff an gesunden Freiwilligen getestet. Sie folgt auf erfolgreiche Tierversuche. In dieser Phase untersuchen die Mediziner, wie der Körper auf die Substanz reagiert. Zwar sind potenzielle Nebenwirkungen mitunter schon aus den Tierversuchen bekannt, dennoch kann es in dieser Phase zu unerwarteten Zwischenfällen kommen.

"Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, wo die genauen Gründe des Unfalls liegen", betonte Touraine. Das testende Unternehmen Biotrial erklärte, die Vorschriften befolgt zu haben. "Der Versuch wurde in voller Übereinstimmung mit den internationalen Bestimmungen durchgeführt, und die Verfahrensweisen von Biotrial wurden zu jedem Zeitpunkt des Versuchs befolgt."

Ähnlicher Fall 2006 in Großbritannien
Dem Experten Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller ist nur ein ähnlicher Vorfall in Großbritannien aus dem Jahr 2006 bekannt, bei dem ein Wirkstoff gegen Multiple Sklerose getestet wurde. Fünf Minuten nach der Einnahme zeigten sechs von acht Männern schwere Reaktionen. Wenige Stunden später stellten Ärzte multiples Organversagen fest. Die Patienten schwebten tagelang in Lebensgefahr, ein Mann lag drei Wochen im Koma.

Der Wirkstoff stammte von der Würzburger Pharmafirma TeGenero, das wenige Monate später Insolvenz anmelden musste. "Nach dem TeGenero-Desaster wurden die Regeln für Medikamententests noch mal sehr verschärft, die Dosierung muss nun noch viel niedriger sein", sagte Hömke.

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