Hinrichtungs-Orgie

Saudi-Arabien: 47 Exekutionen an nur einem Tag

Ausland
02.01.2016 13:40

Saudi-Arabien hat am Samstag 47 Menschen wegen Terrordelikten hingerichtet. Unter anderem wurde der prominente schiitische Geistliche Scheich Nimr Baker al-Nimr exekutiert, wie das Innenministerium in Riad mitteilte. Nimr hatte zu den Anführern der Schiiten-Proteste im Osten des Königreichs gehört, die im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 ausgebrochen waren. Der Iran kritisierte die Hinrichtung des Klerikers scharf. Diese droht die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten in der Region weiter zu verschärfen.

Nimr war ein entschiedener Gegner des sunnitischen Königshauses. Er hatte während der Demonstrationen im Jahr 2011 die Abspaltung der mehrheitlich schiitischen Regionen Katif und Al-Ihsaa im Osten des Landes befürwortet. Der Aktivist war für seine Unterstützung des friedlichen Protests gegen die religiöse Diskriminierung der Schiiten bekannt. Vor einem Jahr wurde er wegen Aufwiegelung, Ungehorsams und Waffenbesitzes von einem Sondertribunal zum Tode verurteilt. Ende Oktober wurde das Todesurteil vom Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens bestätigt.

Iran: Saudi-Arabien wird "hohen Preis zahlen"
Der Iran, schiitisch dominierter Regionalrivale Saudi-Arabiens, verurteilte am Samstag die Hinrichtung Nimrs scharf. "Anstatt sich mit den IS-Terroristen zu beschäftigen, die die Region und die ganze Welt gefährden, lassen die Saudis eine Persönlichkeit wie Nimr hinrichten", sagte Außenamtssprecher Jaber Ansari. Die rein politisch und religiös motivierte Tat reflektiere die irrationale und verantwortungslose Politik der Saudis. Die Hinrichtung werde für das Königreich "Konsequenzen" haben, Saudi-Arabien werde einen "hohen Preis zahlen". Der einflussreiche iranische Ayatollah Ahmad Khatami erklärte, "das Verbrechen" an Scheich Nimr werde dazu führen, dass die sunnitische Herrscherfamilie Saud aus den Geschichtsbüchern gelöscht werde.

Empörung auch in anderen Ländern der Region
Auch führende Schiiten aus dem Irak und dem Libanon zeigten sich am Samstag empört über die Hinrichtungen. Der irakische Schiitenführer Muktada al-Sadr rief zu Protesten im Irak und in den Golfstaaten auf, die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon sprach von einem "schweren Fehler", den die Regierung in Riad mit der "Ermordung" Nimrs gemacht habe. In Bahrain kam es zu Protesten, die Polizei feuerte in dem Ort Abu-Saiba nahe der Hauptstadt Manama Tränengas auf Dutzende Demonstranten ab. Die aufgebrachte Menge hielt Bilder von Nimr in die Höhe. Auch Schiiten im indischen Kaschmir demonstrierten gegen das Vorgehen der Führung in Riad.

Protest kam auch aus der EU. Die Union sei gegen die Todesstrafe und besonders gegen Massenhinrichtungen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Brüssel mit. Mit Blick auf die Exekution Nimrs erklärte sie, es gebe ernste Bedenken, unter anderem wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung. "Dieser Fall hat auch das Potenzial, sektiererische Spannungen, die bereits viel Schaden in der gesamten Region anrichten, mit gefährlichen Folgen weiter anzuheizen", meinte Mogherini.

Riad: "Sie folgten den Fußstapfen des Teufels"
Saudi-Arabien hingegen verteidigte die Exekutionen. "Diese Menschen folgten den Fußstapfen des Teufels. Durch ihre terroristischen Taten ist unschuldiges Blut vergossen worden mit dem Ziel, die Stabilität in diesem Land zu erschüttern", teilte das Innenministerium in Riad mit. Insgesamt wurden 45 Staatsbürger Saudi-Arabiens, ein Ägypter und ein Mann aus dem Tschad hingerichtet.

Saudi-Arabien sieht sich als Schutzmacht der sunnitischen Moslems, der Iran als Schutzmacht der Schiiten. Die beiden Länder sind im Dauerkonflikt. Neben den religiösen und geopolitischen Differenzen ist seit Längerem auch der Konflikt in Syrien ein Streitthema. Teheran unterstützt dort das Regime von Präsident Bashar al-Assad, Riad hingegen die Rebellen.

Immer mehr Exekutionen seit Salmans Machtübernahme
Saudi-Arabien hatte 2015 so viele Todesurteile vollstreckt wie seit 20 Jahren nicht mehr. Von Jänner bis November seien mindestens 151 Menschen exekutiert worden, teilte Amnesty International mit. Die Verurteilten werden entweder enthauptet oder erschossen. Der drastische Anstieg der Zahl von Exekutionen geht einher mit der Machtübernahme von König Salman. Er war Ende Jänner nach dem Tod seines Vorgängers Abdullah auf den Thron gestiegen.

Amnesty kritisiert auch immer wieder, Saudi-Arabien setze die Todesstrafe als politisches Instrument gegen die Schiiten ein. Die meisten der rund zwei Millionen saudi-arabischen Schiiten leben im Osten des Landes. Die Minderheit, die etwa 15 Prozent der Bevölkerung ausmacht, klagt seit Langem über religiöse und soziale Diskriminierung durch das wahhabitische Herrscherhaus. Bereits in den vergangenen Monaten wurden schiitische Geistliche und Aktivisten zum Tode verurteilt.

Keine Stellungnahme des König Abdullah Dialogzentrums
Das umstrittene König Abdullah Dialogzentrum in Wien war für krone.at am Samstag nicht für eine Stellungnahme zu der nunmehrigen Hinrichtungs-Orgie erreichbar. Die Belegschaft befinde sich auf Weihnachtsurlaub, hieß es. Während laut dem Zentrum in Wien mittels Dialog Brücken gebaut werden sollen, drohen in Saudi-Arabien weiterhin jedem, der von der dortigen Interpretation des Islam abfällt, Gefängnis, Auspeitschung und Tod.

Aus dem Video-Archiv: Schließung von Saudi-Zentrum "durchaus vorstellbar"

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