Trotz Protesten

Polens Parlament entmachtet Verfassungsgericht

Ausland
24.12.2015 09:34

Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat ihre Macht um einen wichtigen Schritt ausgebaut. Der Senat als zweite Parlamentskammer stimmte in der Nacht auf Donnerstag für eine umstrittene Gesetzesnovelle, die die Einspruchsmöglichkeiten des Verfassungsgerichts drastisch einschränkt. Trotz Protesten und Warnungen von Opposition, Richtern, ausländischen Politikern und Zehntausenden Demonstranten stimmten 58 Senatoren für und nur 28 gegen die von der Regierung vorgelegte Novelle, bei einer Enthaltung. Das Unterhaus hatte schon am Dienstag zugestimmt.

Wenn erwartungsgemäß Präsident Andrzej Duda noch am Donnerstag die Gesetzesnovelle unterzeichnet, wird sie mit sofortiger Wirkung gültig und schaltet das Verfassungsgericht weitgehend als Korrektiv gegenüber der PiS-Parlamentsmehrheit aus. Unter anderem ist darin nämlich festgelegt, dass künftig eine Zweidrittelmehrheit statt der bisher ausreichenden einfachen Mehrheit der Verfassungsrichter notwendig ist, um von der Parlamentsmehrheit beschlossene Gesetze wegen Verfassungsbedenken abzulehnen.

Eigene Kandidaten eingesetzt
Da die PiS gleich nach Erlangen ihrer Parlamentsmehrheit bereits einen Teil der Verfassungsrichter in einem umstrittenen Handstreich durch eigene Kandidaten ersetzte, kann sie sich also auf eine ausreichende Sperrminorität verlassen, die einen Einspruch gegen ihre Gesetze verhindert. Zu den aktuellen Streitpunkten, die die polnische Gesellschaft spalten, gehört aber auch, ob dieser Personalwechsel im Höchstgericht überhaupt legal war. Das Verfassungsgericht in seiner bisherigen Zusammensetzung erklärte die Entscheidung für rechtswidrig, dennoch unterzeichnete Präsident Duda die Ernennungen.

Unter den führenden Juristen des Landes rief der Plan der Regierungspartei blankes Entsetzen hervor. Noch während der Senatsdebatte verlangte die Richtervereinigung "Iustitia" von den Abgeordneten, "die Gesetzesnovelle als Ganzes" abzulehnen. Ebenfalls noch vor der Abstimmung appellierte das Präsidium des nationalen Richter-Rates an Präsident Duda, die Gesetzesnovelle nicht zu unterschreiben.

Auch die frühere liberale Regierungspartei Bürgerplattform PO wartete gar nicht erst das Abstimmungsergebnis ab, sondern reichte noch am Mittwoch beim Verfassungsgericht eine Klage gegen die Gesetzesnovelle ein, die nach Oppositionsauffassung gerade dieses zu paralysieren drohe. Kritik am Vorgehen der polnischen Regierenden kommt aber längst nicht mehr nur aus dem Inland, sondern auch von der EU-Kommission und einer ganzen Reihe internationaler Politiker. Die für Demokratien selbstverständliche Gewaltenteilung sei nicht mehr gewährleistet, lautet der Tenor der Kritiker, die einen "schleichenden Staatsstreich" befürchten.

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